Bakker, Gerbrand: Birnbäume blühen weiß
PERENBOMEN BLOIEN WIT, 1999
Düsseldorf : Patmos, 2002
2. Auflage
125 S.
Jugendroman
Die Familie Tolgaarder besteht aus dem Vater Gerard, den sechzehnjährigen Zwillingen Klaas und Kees, dem drei Jahre jüngeren Gerson und dem Hund Daan. Die Mutter ist vor ein paar Jahren ausgezogen, nach Italien, zu einem anderen Mann. Keiner weiß, wo sie genau lebt, der Rest der Familie hält seitdem umso fester zusammen.
Als die Jungen noch kleiner waren, spielten sie ein Spiel, dass sie „Schwarz“ nannten. Sie mussten mit geschlossenen Augen ein Ziel in der Umgebung finden.
Kurz vor Gersons vierzehntem Geburtstag wird aus dem Spiel Realität. Die Familie hat einen Autounfall, Gerson wird am schwersten verletzt. Beide Augen sind zerstört, die Milz muss entfernt werden und er liegt eine Woche im Koma. Die Brüder und der Vater sind in der Zeit viel bei ihm, reden mit ihm und streicheln ihn. Nach einer Woche bringen sie den Hund mit, das weckt ihn aus dem Koma.
Als Gerson aufwacht, merkt er, dass er einen Verband vor den Augen hat. Und immer, wenn es um das Thema Sehen oder um seine Augen geht, weichen seine Angehörigen aus. Nach ein paar Tagen redet er mit einem Krankenpfleger darüber und der bestätigt ihm, dass er blind ist.
Gerson wird aus dem Krankenhaus entlassen und alle gehen sehr vorsichtig mit ihm um. Er mag das nicht.
Es stört ihn, dass die Oma ihn nicht mehr „mein Augenstern“ nennen darf und dass sich alle einfühlen wollen, indem sie Dinge mit geschlossenen Augen machen.
Nachbarn kommen und wollen Anteilnahme zeigen, wissen aber nicht, was sie sagen sollen. Gerson will diese Besuche nicht und zeigt seinen Unmut deutlich. Seit seinem Krankenhausaufenthalt hat er sich stark verändert. Im Krankenhaus machte er noch Witze, zu Hause nicht mehr. Dafür redet er ständig über seine Milz, sein Vater vermutet, um seine Augen zu vergessen. Er schläft viel.
„Ich will ins Bett“, sagte er. „Ich will schlafen. Wenn ich schlafe, träume ich und wenn ich träume, sehe ich wenigstens noch etwas.“ (S. 75)
Er hat Termine bei verschiedenen Ärzten, das ärgert ihn. Erstens reden die Ärzte nicht mit ihm, sondern mit seinen Angehörigen und zweitens schlagen sie eine Schönheitsoperation vor, die er nicht will. Er will nur operiert werden, wenn er dadurch wieder sehen kann. Seine Brüder argumentieren, dass Fremde sich bei seinem Anblick erschrecken könnten, er meint, dann sollen sie ihn eben nicht ansehen.
Die Familie feiert seinen vierzehnten Geburtstag, aber Gerson ist nur unzufrieden. Er schimpft über die Croissants, die seine Brüder gebacken haben und die ihm nicht schmecken, und zeigt Desinteresse an allen Geschenken. Das erste Mal fragen sich die Brüder, ob sie ihm alles durchgehen lassen müssen, nur weil er blind ist. Der Vater und auch der Großvater erkennen, dass man ihn nicht ewig schonen kann, dass Gerson lernen muss, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber Gerson will nichts davon wissen, er blockt ab, sobald das Gespräch darauf kommt. Brailleschrift lehnt er ebenso ab wie den Kontakt zu anderen blinden Menschen. Stattdessen sagt er immer wieder, dass er einen Ort sucht, wo er immer liegen bleiben kann und nichts tun muss.
Wenige Wochen nach dem Unfall unternimmt die Familie einen Ausflug zu den Großeltern. Dort macht Gerson, der seinen Hund sehr liebt, etwas Merkwürdiges. Er packt den Hund, der Angst vor Wasser hat, kein guter Schwimmer ist, in den Badesee. Einer der Brüder muss den Hund retten, aber Gerson sagt, er habe dem Hund einen Gefallen tun wollen.
Eines Abends, kurz vor einem Gewitter, will Gerson noch einmal spazieren gehen. Er kommt nicht zurück, Taucher holen am Tag danach seine Leiche aus dem Wasser. Keiner weiß, was wirklich passiert ist, der Autor lässt an dieser Stelle den Hund berichten.
Er ging ins Wasser. Er war nicht gleich verschwunden. Erst seine Hinterpfoten, dann sein Körper, dann sein Kopf. Seinen Kopf sah ich später, da trieb er auf dem großen Wasser. Ich bellte. Er rief „aa“ und „i“. Sein Kopf wurde immer kleiner. Licht und Dröhnen gleichzeitig. Das große Wasser flammte auf und dann war es wieder weg. Der Kopf von dem kleinen Schwarzen war auch weg. (S. 120)
Seine Brüder grübeln, was geschehen ist. Er war so anders an diesem Tag oder eigentlich eher normal, wie früher, vor dem Unfall. Er machte sogar einen alten Familienwitz, dass er den Rekord im Grabsteinliegen brechen wollte. Er wollte unbedingt wissen, ob ein Gewitter kommt.
Was ging in ihm vor, als er nachdrücklich sagte, dass er allein eine Runde drehen wollte. (letzte Seite)
Die Leser und Leserinnen werden auf diesen Tod nach und nach vorbereitet.
Am Dienstag, dem 28. Juli, wurde Gerson vierzehn. Woher sollten wir wissen, dass er danach nie wieder Geburtstag haben würde. (S. 82)
So fing unsere Woche an. Aber wir hatten nicht die Zeit, den Auftrag auszuführen. Opa hatte nicht die Zeit, streng zu Gerson zu sein und Oma konnte ihn nicht mit Plätzchen vollstopfen. Denn es gab keine Tage mehr zum Abzählen, nur noch Stunden. (S. 106 f.)