Hajek, Jutta: Siehst du die Grenzen nicht, können sie dich nicht aufhalten

München : bene! Verlag (Droemer Knaur) 2019
215 S.
Autobiografische Familiengeschichte

Die Geschichte der Familie wird in vier Teilen erzählt. Jutta Hajek lernte den blinden Christof Müller kennen, und daraus entstand das Buch über ihn und seine Familie.
Im ersten Teil geht es um die Lebensgeschichte der Mutter, Mariechen Müller. Sie kommt Ende der 1930er Jahre zur Welt und ist schon als Kind stark sehbehindert. Ihre Familie ermutigt sie, sich alles zuzutrauen, und da das Mädchen in armen Verhältnissen aufwächst, muss sie von klein auf mit anpacken. Sie ist ein selbstbewusstes und mutiges Kind; vor den Nazis hat die Familie allerdings größte Angst, denn sie fürchtet, ihr blindes Kind könnte getötet werden. Mariechen geht in die Dorfschule, wo sie sich – unterstützt von ihrer Mutter – durchkämpft. Die Hausaufgaben muss sie bei Wind und Wetter draußen erledigen, weil es drinnen zu dunkel ist und sie dann gar nichts mehr sieht.
Mit 15 Jahren kommt sie in die Blindenanstalt Frankfurt, wo sie eine Ausbildung zu Stenotypistin macht. Erst rebelliert sie dagegen, dann genießt sie das Internatsleben inklusive der Regelbrüche. Der Internatsleiter schätzt sie trotzdem, weil sie auch clever ist. Sie findet danach Arbeit und kann ihre Familie miternähren, zumal der Vater als Kriegsheimkehrer versehrt ist und nicht mehr arbeiten kann.
Auf einem Kongress der katholischen Blindenvereinigungen lernt sie einen Mann kennen, den sie ganz sympathisch findet, danach aber wieder vergisst.
Einige Monate später antwortet sie nach einer Feier albern und nicht ganz nüchtern auf eine Kontaktanzeige. Diese ist von demselben Mann, den sie auf dem Kongress kennengelernt hat. Sie schicken sich eine Weile Tonbänder zu, zwei Jahre später heiraten sie und bekommen im Abstand von einem Jahr zwei Söhne, die die Krankheit der Eltern geerbt haben. Als die Söhne um die zwanzig sind, stirbt der Vater an einem Tumor.
Die Teile zwei und drei sind aus Sicht der Söhne geschrieben, sie gehen beide erst in Frankfurt auf eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Sehen, später kommen sie zusammen auf die Blindenstudienanstalt Blista nach Marburg. Der ältere, Stefan, wird später Priester, wobei sich die Kirche schwertut, ihn als Priester zu akzeptieren. Erst als ein anderer Priester ihm anbietet, die Gemeindearbeit mit ihm zu teilen, bekommt er eine Stelle.
Christof, der Jüngere, wird Religions- und Geschichtslehrer an einem Regelgymnasium, wo er immer noch tätig ist. Er kommt gut zurecht, nutzt Technik und Vorleser. Die Schüler und Schülerinnen respektieren ihn.
Im vierten Teil beschreibt die Autorin, wie sie die Familie kennengelernt hat, mit der sie mittlerweile befreundet ist und die sich durch eine starke Religiosität und eine enge Bindung untereinander auszeichnet.
Der Titel ist etwas irreführend, denn die einzelnen Familienmitglieder sind sich unterschiedlicher Barrieren sehr bewusst. Sie legen allerdings alle großen Wert darauf, das Beste aus der Situation zu machen. Der Ratschlag der Mutter lautete immer:

„Ihr dürft euch nicht alles gefallen lassen und müsst versuchen, immer ein Stück besser zu sein als die anderen, wenn ihr eine Arbeit wollt.“ (S. 173)

Der ältere Sohn Stefan schreibt:

Wahnsinnigen Druck, mich zu beweisen, empfand ich 1988, als ich mein Studium der Theologie anfing. (S. 107)

 

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