Baum, Oskar: Der Antrag

in: Oskar Baum: Erzählungen aus dem Blindenleben
Prag : Vitalis, 1999
S. 63–77
Ersterscheinung: Jahrbuch für Dichtkunst 1913
Erzählung

Ein Mann, Emil Lütte, antwortet auf eine Heiratsanzeige. Umständlich, fast devot, bittet er die Frau, sein Schreiben zu lesen und sich auch von seiner Blindheit nicht abhalten zu lassen. Er habe auch einiges zu bieten, nämlich ein gut gehendes Geschäft. Es kommt zu einer Verabredung, die durchaus positiv verläuft. Doch in einem zweiten Brief macht er ihr ein Geständnis, er schildert eine Episode aus seinem Leben.
Er wohnte damals zur Untermiete bei einer Familie mit zwei Töchtern. Die ältere, Ditta, kümmerte sich viel um ihn, las ihm vor und nahm ihn mit in Konzerte. Die Familie suchte intensiv nach einem Ehemann für sie und alle waren erleichtert, als sie sich mit einem Ingenieur verloben wollte. Ditta kamen bald Zweifel, sie hatte ein schlechtes Gewissen Emil gegenüber. Und obwohl dieser gar nicht in Ditta verliebt war, bestärkte er sie darin, indem er paradoxerweise den Verlobten pries und sich und sie damit in der Vorstellung bestärkte, er würde selbstlos verzichten. Dittas Verlobung platzte und Emil zog aus.
Emil Lütte schreibt, dass er aus seinen Fehlern gelernt habe, aber die Frau, die die Heiratsanzeige aufgegeben hatte, lässt nie wieder von sich hören. Emil Lütte heiratete später eine Witwe, die reizbar und häufig unzufrieden war.

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