Henry, April: Lauf, wenn es dunkel wird
GIRL STOLEN 2010
Hamburg : Carlsen, 2014
220 S.
Jugendroman
Kurz vor Weihnachten wartet die sechzehnjährige Cheyenne im Auto, während ihre Stiefmutter Medikamente aus der Apotheke holt. Sie kommen vom Arzt, Cheyenne hat eine Lungenentzündung, deshalb hat sie sich auf der Rückbank in eine Decke eingewickelt und die Stiefmutter hat den Autoschlüssel stecken lassen, damit Cheyenne die Autoheizung laufen lassen kann. Schon nach wenigen Minuten hört Cheyenne, dass die Wagentür geöffnet und das Auto gestartet wird.
Es waren tausend Kleinigkeiten, die Cheyenne sagten, dass etwas nicht stimmte. Sogar die Art und Weise, wie die Tür zugeschlagen worden war, hatte sich nicht richtig angehört. Danielle machte das nicht so schnell und fest. Das Atmen klang auch ganz falsch, viel zu hastig und rau. Cheyenne schnupperte. Es roch nach Rauch. Aber Danielle rauchte nicht und als Krankenschwester mochte sie auch keine Raucher.
Die Person am Steuer war ganz sicher nicht ihre Stiefmutter. (S. 5 f.)
Cheyenne wird schnell klar, dass sie entführt wird.
Aber sie konnte weder den Typen, der sie entführte, sehen, noch, wohin sie fuhren. Cheyenne war seit drei Jahren blind. (S. 7)
Griffin ist der Sohn eines brutalen Kleinkriminellen. Vater und Sohn leben von den Erlösen ihrer Diebestouren, kurz vor Weihnachten ist Griffin unterwegs, um aus den parkenden Autos vor dem Einkaufsaufzentrum Pakete zu stehlen. Doch der teuer aussehende Geländewagen, in dem der Zündschlüssel steckt, bringt ihn auf eine ganz andere Idee. Mit diesem Auto kann er vielleicht endlich seinem Vater imponieren. Erst als das Auto schon fährt, bemerkt das das Mädchen auf dem Rücksitz. Er gerät in Panik, denn er weiß nicht, was er mit dieser Zeugin anstellen soll. Als er merkt, dass sie blind ist, hofft er, dass er sie irgendwo aussetzen kann. Aber erst einmal schüchtert er sie mit einem Zigarettenanzünder ein, den er ihr wie eine Pistole an die Schläfe hält. Es funktioniert, denn Cheyenne spürt nur das kalte Metall.
Die Geschichte wird abwechselnd aus den unterschiedlichen Perspektiven der beiden Teenager erzählt, die schnell merken, dass sie bei aller Gegensätzlichkeit viel gemeinsam haben. Beide haben Angst vor Roy, Griffins jähzornigem Vater. Dieser reagiert erst verärgert, als er von Cheyennes Anwesenheit hört; er fürchtet anfangs, sie könnte zu viel gesehen haben. Griffin macht ihm dann klar, dass von dieser Seite aus nichts zu befürchten ist. Roys Einstellung ändert sich, als er hört, dass Cheyenne die Tochter des Nike-Präsidenten ist. Nun will er möglichst viel Geld aus der unfreiwilligen Entführung herausholen. Cheyenne hat in der Zwischenzeit angefangen, möglichst viele Informationen zu sammeln, gleichzeitig stellt sie sich zur Tarnung dumm und hilflos an.
Sie beschloss, dass sie ihn als Erstes dazu bringen würde, sie loszubinden. Und dazu musste er sie als armes Blindchen sehen, dafür würde sie sorgen. (S. 28)
Einer der Männer, die für Griffins Vater arbeiten, will Cheyenne vergewaltigen, aber Griffin kann das verhindern. Trotzdem schlägt Cheyenne Griffin nieder, weil sie fliehen will. Aber Griffin ist nicht so schwer verletzt wie befürchtet, und er verfolgt sie. Allerdings will er sie nicht fangen, sondern ihr bei der Flucht helfen. Als er stürzt, muss sie allein weiter, und sie muss sich, ohne ihren gewohnten Langstock, den Weg durch einen fremden Wald bahnen.
Sie schafft es bis zur Straße, dort stößt sie auf zwei Männer, die sich als Polizisten ausgeben. Sie wollen sie auf das Revier bringen. Sie ist erleichtert, aber als sie im Auto der beiden sitzt, merkt sie, dass sie in eine Falle getappt ist. Am Tabak- und Pfefferminzgeruch erkennt sie Roy.
Roy hatte sein Aussehen nicht verändern müssen. Er hatte einfach seine Stimme verstellt und tiefer gesprochen. Aber seinen Geruch hatte er nicht verändern können. (S. 205)
Sie sucht im Auto ein Handy, findet stattdessen eine Pistole. Damit schießt sie Roy an und kann ihn aus dem Auto bewegen. Dann verriegelt sie die Tür, aber Roy versucht die Scheiben einzuwerfen. Schließlich versucht sie, wegzufahren, ist dabei aber nicht erfolgreich. Roy wirft mit Steinen nach dem Auto. Es kracht, aber die Scheiben halten. Dann findet Cheyenne doch noch ein Handy im Auto und ruft die Polizei an. Diese versucht sie zu orten, aber das Gebiet, in das das Handy eingeloggt ist, ist groß. Die Polizistin in der Notrufzentrale ist in Kontakt mit vier Streifenwagen, die in der Region sind. Schwach hört Cheyenne die Polizeisirenen. Das bringt Cheyenne auf eine Idee. Sie bittet die Polizistin, den Polizeiautos über Funk zu sagen, dass sie die Sirenen erst ausschalten und danach eine nach der anderen wieder anmachen sollen. Die ersten zwei Sirenen hört sie nicht, aber die dritte, und sie hört auch, dass die Sirene lauter wird. Damit hat die Zentrale einen Hinweis, wo Cheyenne sein muss.
Roy kann jetzt ins Auto greifen, Cheyenne wehrt sich verzweifelt, gibt Gas und fährt ihm über die Beine. Dann kommt die Polizei.
Cheyenne ist drei Jahre zuvor durch einen Unfall erblindet, ihr Sehzentrum wurde zerstört, sie kann nur noch auf einem Auge und am Rand sehen. Wie sie lernte, sich als blinder Mensch zu orientieren, ist kein eigenständiges Thema, sondern wird beiläufig erwähnt.