Hughes, Richard: Der Fuchs unter dem Dach

FOX IN THE ATTIC, 1961
Frankfurt : Insel, 1963
368 S.
Roman

Der Roman spielt in den 1920er Jahren in England und Bayern. Der junge Adelige Augustin ist ein Einzelgänger, der planlos in den Tag lebt. Eines Tages findet er bei der Jagd ein totes Kind. Dieses Ereignis berührt ihn so sehr, dass er verreisen will, um Abstand zu gewinnen. Zuerst will er nach China, doch seine Schwester empfiehlt ihm, erst einmal mit Deutschland zu beginnen. Dort besucht er weitläufige Verwandte. Seine Angehörigen, teilweise Anhänger Hitlers, beschäftigen sich mit den politischen Unruhen, aber Augustin interessiert das alles nicht, ihn interessiert nur Mitzi, die älteste Tochter des Hauses.
Zuerst fällt ihm auf, dass sie bei den Mahlzeiten kaum aufblickt und ihn nie ansieht. Später sieht er, wie sie beim Schreiben eine Brille trägt und dabei das Gesicht fast auf dem Papier hat. Dann fällt ihm auf, dass sie vor Gegenstände läuft, und er glaubt, sie sei einfach verträumt.

Während des Frühstücks fiel Augustin auf, daß Mitzi, sobald sie nach einem kleinen Gegenstand wie einem Löffel oder einer Semmel griff, die Finger seltsam spreizte, wie Antennen, wie Fühler. Manchmal berührte der kleine Finger den Gegenstand zuerst, und die anderen schlossen sich rasch zum Griff. Doch auch mit dreiundzwanzig war Augustin noch in einem Alter, wo man, wie als Kind, Dinge nicht wahrhaben will, die zu schlimm sind, um wahr zu sein. Also mußte die schlimme Wahrheit nur sehr langsam in sein junges und glückliches Gemüt eindringen – die Wahrheit, daß Mitzis große graue Augen, schon jetzt, mit siebzehn Jahren, fast völlig blind waren. (S. 174)

Augustin verliebt sich in sie und ist fest davon überzeugt, dass sie ihn auch heiraten will. Nur schafft er es nicht, sie allein zu sprechen, und so kann er nur von einer gemeinsamen Zukunft träumen.
Seine Verwandten nehmen ihn mit zu einem gesellschaftlichen Empfang. Auch Mitzi fährt mit, ohne Brille, denn die darf sie nicht in der Öffentlichkeit tragen. Schon auf der Fahrt bemerkt sie eine Verschlechterung ihrer Augen. Und während sich die anderen über den Hitlerputsch am Vortag unterhalten, beginnt Mitzi zu schreien, denn sie hat gerade ihren letzten Sehrest verloren.
Mitzi hadert erst mit Gott, dann glaubt sie, Gott habe ihr die Blindheit geschickt, um sie ihm näher zu bringen, aber auch diese Sicht hält nicht lange. Währenddessen plant ihre Familie ihre Zukunft. Eine Ehe scheint ausgeschlossen, man kann sich nicht vorstellen, dass ein Mann ein blindes Mädchen heiratet, höchstens, um an ihre Mitgift zu kommen. Also soll sie ins Kloster.  

Was Otto nicht vergessen konnte, war der Ton, in dem Walter ausgerufen hatte, es habe noch nie eine blinde Kessen gegeben. Es hatte wie eine Anklage geklungen – als besagte die Tatsache, mit einem körperlichen Defekt geboren zu sein, Mitzi verdiene es, aus dem Blickfeld aller anderen verbannt zu werden. Keiner schien sich Gedanken darüber zu machen, ob sie „dort“ glücklich sein würde und ob man der leidgeprüften Mitzi wirklich etwas Gutes antue. (S. 296)

Ein Teil der Familie hält Mitzis Rückzug ins Kloster für eine wichtige deutsche Aufgabe.

Und was konnte ein blindes Mädchen für Deutschland Besseres tun, als den Aktivisten nicht lästig zu fallen, ihnen aus dem Weg zu gehen. (S. 309)

Als Augustin von den Plänen der Familie hört, läuft er verzweifelt durch die Gegend. Er plant noch, Mitzi zu retten, zu heiraten und zu einer Engländerin zu machen, aber er kommt zu spät. Die Eltern sind mit der Tochter bereits in Kloster gefahren. Augustin kehrt nach England zurück.
Mitzi, die von alledem nichts ahnt, hat noch einen zweiten Verehrer, der ihr völlig unbekannt ist. Es ist der Parteifreund ihres Bruders, der versteckt auf dem Dachboden des Gutshauses lebt. Er beobachtet Mitzi aus der Ferne und denkt auch nur an eine platonische Beziehung. Als er aber vom Fenster aus Augustin sieht, reagiert er eifersüchtig. In seinen Gewaltfantasien bringt er die beiden um, doch dann erhängt er sich selbst.
Der Autor verbindet in diesem Roman eine Reihe von Geschichten, im Vordergrund stehen die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in England und vor allem in Deutschland.

 

Zurück