Isbel, Ursula: Das Haus der flüsternden Schatten

München : Franz Schneider, 1979
138 S.
Jugendroman

Die achtzehnjährige Valerie arbeitet in London als Au-Pair-Mädchen. Ihr Arbeitgeber behandelt sie schlecht. Eines Tages stößt sie auf der Straße mit einem Mann zusammen. Als sie sich wieder aufrappelt, merkt sie, dass der Mann einen Stock benutzt.


Ein Hauch von Hilflosigkeit umgab ihn, den ich mir nicht erklären konnte, denn er war ein großer, breitschultriger Mann und überragte mich um ein gutes Stück. (S. 9)


Sie erkennt, dass er blind ist, spricht ihn darauf an und bereut es sofort. Die beiden gehen in eine Teestube und Valerie erzählt, wie schlecht es ihr an ihrem Arbeitsplatz geht. Der blinde Mann, Angus O’Hagan, macht ihr den Vorschlag, bei ihm in Irland zu arbeiten. Seine fünfzehnjährige Schwester Ethel gilt als geistig verwirrt und er sucht für sie eine Betreuerin. Es stellt sich heraus, dass Ethel keineswegs geistig verwirrt ist, sondern nur die „Gabe“ hat, sich an ihr früheres Leben zu erinnern. Es ist auch kein Zufall, dass Valerie nach Irland kam, denn in einem früheren Leben waren Ethel und Valerie Freundinnen, die mit einer dritten Freundin bei einer Bootsfahrt ertranken. Die Sehnsucht nach der dritten Freundin treibt Ethel immer wieder ans Wasser, und weder Valerie noch Angus können sie daran hindern, eines Tages mit einem Boot heimlich allein aufs Meer zu fahren. Das Boot wird zerschellt aufgefunden, Ethel bleibt verschwunden.
Damit wäre Valeries Aufenthalt in Irland eigentlich beendet, doch Valerie und Angus, der ein erfolgreicher Schriftsteller und Dramaturg ist, haben sich angefreundet. Im Laufe der Zeit hat Angus ihr auch seine Lebensgeschichte erzählt.
Mit Anfang zwanzig hatte er einen Unfall, bei dem sein Sehnerv durchtrennt wurde. Die Zeit danach war schwierig für ihn und seine Freundin Judith.

„Ich wollte mich einfach nicht damit abfinden, daß ich blind war. Ich konnte mir nicht vorstellen, den Rest meines Lebens – fünfzig Jahre vielleicht – in dieser ewigen Finsternis zu verbringen. Ich kam mir vor wie ein Tier, das für immer in einen engen Käfig gesperrt ist.“ Er schauderte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Aber warum erzähle ich Ihnen das alles? Ich habe lange nicht mehr davon gesprochen.“
Ich sah, wie er zitterte. Jetzt, wo ich endlich merkte, daß sich hinter seiner gelassenen Maske ein verwundbarer Mensch verbarg, fühlte ich mich ihm sehr nahe. (S. 89)

Langsam begann er wieder zu schreiben und unter Menschen zu gehen und er merkte, dass seine übrigen Sinne schärfer wurden. Er fühlte sich wieder freier.
Beruflich wird er erfolgreich, privat erlebte er einen Rückschlag, seine Frau verließ ihn.
Angus wollte sich nach dieser Erfahrung nie wieder verlieben, doch dann kam Valerie. Am Ende heiraten sie.

 

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