Jaumann, Bernhard: Sehschlachten

Berlin : Aufbau, 1999
Erstveröffentlichung 1998
313 S.
Roman

Lachlan O’Neill, Polizist in Sidney, hat den Auftrag, nach Trickbetrügern Ausschau zu halten, die Touristen bestehlen. In den letzten Tagen wurden mehrere Kameras gestohlen. O‘Neill schlendert als Tourist verkleidet mit auffälliger Kamera durch das Hafengebiet. Als er einen Rollschuhfahrer sieht, der vollkommen nackt und am ganzen Körper grell bemalt durch die Touristenmenge fährt, schaltet O’Neill sofort. Er ist sich sicher, dass dieser Mann zu den Trickbetrügern gehört, und folgt ihm. Dabei kommen sie an einem Haus vorbei, das in demselben Moment in die Luft gesprengt wird, als sie es passieren. Der Rollschuhfahrer stirbt unter den Trümmern, O’Neill erblindet. Die Ärzte können allerdings keine organischen Ursachen für die Blindheit feststellen. Sie vermuten einen Schock. Das Haus wurde unerlaubt in die Luft gesprengt und O’Neills Kollegen befragen die Nachbarn. Mit den meisten Zeugenaussagen können sie nichts anfangen, der einzig interessante Zeuge ist ein blinder Mann, der auf dem Balkon saß. Er ist seit zwanzig Jahren blind, seit dem Vietnamkrieg.

„(…) ich habe neu sehen gelernt und sehe schärfer als mancher mit zwei gesunden Augen. Stimmt es, Elena?“ (S. 62)

Der blinde Zeuge hat einen Mann gehört, der eine Kamera benutzte, die sich automatisch aufzieht, außerdem hat er gehört, dass der Mann barfuß in Sandalen ging und schließt daraus, dass er Shorts trug und kein Afrikaner oder Asiat war, und vom Schrittrhythmus kann er auf die Körpergröße schließen.
Die Polizei sucht nun sowohl den Fotografen als auch den Besitzer des in die Luft gesprengten Hauses, da die Leute von der Spurensicherung eindeutige Hinweise gefunden haben, dass in dem Haus Kinderpornos gedreht wurden. Außerdem suchen sie die Kinder, von denen sie einige Fotos haben.
Etwas später findet in Sidney ein ungewöhnlicher Mord statt; in einem Museum wurde der Handlauf einer Galerie angesägt, eine Touristin stürzte und starb.
O’Neill, der noch im Krankenhaus liegt, lässt sich von den Kollegen über den Stand der Ermittlungen informieren. Dabei kommt ihm der Verdacht, dass der blinde Zeuge möglicherweise gar nicht wirklich blind ist und selbst das Nachbarhaus in die Luft gesprengt hat, weil es ihm die Aussicht auf den Hafen versperrt. O’Neill telefoniert mit verschiedenen Behörden und stellt fest, dass der Mann tatsächlich nicht als Kriegsblinder, sondern als Zivilblinder bekannt ist. O’Neill verlässt das Krankenhaus und konfrontiert den blinden Zeugen mit seinen Informationen. Der blinde Mann gibt zu, dass er nicht direkt durch eine Kampfhandlung erblindet ist, sondern nur indirekt. Im Krieg fing er an, Drogen zu konsumieren, und in einem LSD-Rausch hatte er solche Wahnvorstellungen, dass er sich die Augen ausstach.
O’Neill gelingt es, sowohl die Kameradiebstähle als auch den Mord an der Touristin aufzuklären. Auch die vermissten Kinder werden gefunden. Am Ende hängen alle Fälle indirekt miteinander zusammen.
Bei der Überwältigung eines Täters hilft es O’Neill, dass sein Sehvermögen zurückkehrt. Zu dem Zeitpunkt waren die vermissten Kinder bereits gefunden worden, und einer der Jungen ist maßlos enttäuscht, dass O’Neill wieder sehen kann. Das Kind hatte geglaubt, dass alles möglich sei, wenn ein blinder Polizist Verbrecher jagen könne. Nun ist O’Neill für ihn entzaubert.

Alles war normal. Wie immer. Die Polizisten hatten Knarren, und sie waren nicht blind, da sie das Auge des Gesetzes waren. Es gab keine Drachen und Feen. Keine Elfen, Zauberer und Tiere, die es nicht gab. Es geschahen keine Wunder. Es gab keine zweite Chance und schon gar kein neues Leben. Alles ging seinen gewohnten Gang. (S. 303)

In seiner Enttäuschung richtet der Junge seine Harpune auf O’Neill und tötet ihn.

 

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