Kahawatte, Saliya: Mein Blind Date mit dem Leben

Köln : Bastei Lübbe, 2017
Erstveröffentlichung 2009
205 S.
Autobiografie

Saliya Kahawatte kam 1969 in Freiberg in Sachsen zur Welt, sein Vater kam als Austauschstudent aus Sri Lanka in die DDR, seine Mutter ist Deutsche. Als er fünf ist, nutzen seine Eltern einen Flug in die Heimat des Vaters, um sich in den Westen abzusetzen. Die Familie lebt in einem kleinen Dorf im Münsterland, wo Saliya zur Schule geht.
Anfangs waren seine Schwester und er die einzigen ausländischen Kinder im Dorf, aber sie finden Freunde.
Im Laufe der Jahre bekommt Saliya Sehschwierigkeiten, ihm wird eine Brille verordnet, die ihm aber nicht hilft. Mit fünfzehn nehmen die Sehprobleme zu, er kann jetzt seine Notizen in der Schule nicht mehr lesen. Die Mitschüler halten es für eine großartige Show-Einlage, er nicht. Allerdings beschäftigt er sich auch nicht damit. Er verdrängt es.  
Bei einer Urlaubsreise wird deutlich, dass er solche Sehprobleme hat, die sich nicht mehr mit Brillen beheben lassen. Die Mutter besteht darauf, es schnell medizinisch abzuklären; die Ärzte stellen eine Netzhautablösung fest. Sie verordnen eine Laser-Behandlung.

Besser sehen konnte ich dadurch auch nicht, der Erfolg der Behandlung war mäßig. Immerhin schienen sie das Fortschreiten der Netzhautablösung aufzuhalten, aber eine genaue Prognose wollten die Experten nicht abgeben. (S. 20 f.)

Diese Erkrankung verändert grundlegend das Verhältnis zu seinem standesbewussten und auch despotischen Vater. Früher war es angsterfüllt, aber auch bewundernd.

Als wenig später meine Augenkrankheit zuschlug, schrieb mein Vater mich ab. Nichts mehr von wegen Kronprinz. Mit einem behinderten Sohn konnte er nichts anfangen. Ich war ihm gleichgültig. (S. 41)

Nach der Diagnose stellt sich die Frage, wie es mit dem Fünfzehnjährigen schulisch weitergehen soll. Er wehrt sich gegen eine Blindenschule und macht das Abitur an einem Regelgymnasium. Er besteht das Abitur, auch wenn es für ihn extrem schwierig ist.
Danach beschließt er eine Hotelausbildung zu machen, obwohl oder weil er weiß, dass er im Hotel keinen barrierfreien Arbeitsplatz vorfinden wird.
Bei der Bewerbung verschweigt er seine Sehbehinderung. Während der gesamten Ausbildungszeit mogelt er sich durch, nur wenige Menschen sind eingeweiht; er kompensiert vieles durch Fleiß und Auswendiglernen.
Auch bei späteren Jobs verfährt er nach dieser Methode; er findet immer Menschen, oft Frauen, die ihn unterstützen. Während er viel Kraft aufwenden muss, um sich so durchzuhangeln, steigt sein Drogen- und Alkoholkonsum. Hinzu kommt eine Krebserkrankung, die ihn zurückwirft. Aber er rappelt sich immer wieder auf.
Eines Tages geht es nicht mehr weiter. Er stellt sich seiner Sehbehinderung, nimmt teilweise Hilfe an. Geradezu begeistert ist er von den technischen Möglichkeiten, die Anfang der 2000er Jahre Neuland für ihn sind, sich aber als hilfreich erweisen. Aber innerlich bleibt er auf Distanz zu vielen Angeboten.

Zum Beispiel ging ich einmal zu einem Blindenstammtisch. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen, und als ich von meinem Lebenslauf erzählte, hörte man mir mit großem Interesse zu. Aber es herrschte große Ratlosigkeit, als ich Fragen zu meiner beruflichen Weiterentwicklung stellte. Alle anderen Stammtischteilnehmer waren in subventionierten Integrationsbetrieben oder in Blindenwerkstätten tätig, arbeitslos oder Frührentner. (S. 160)

Einen Kurs zur Berufsfindung in einer Einrichtung für sehbehinderte Menschen sitzt er unwillig ab. Er spricht vielen Beratern die Kompetenz ab.
Schließlich geht er sein Suchtproblem an und studiert noch einmal Hotel-Gastronomie-Management. Den ersten Versuch bricht er ab, besteht im zweiten Anlauf, bekommt aber keinen Job. Dafür bekommt er viel Aufmerksamkeit von der Presse und die Anfrage einer Frau, die beeindruckt von ihm ist und von ihm gecoacht werden will. Es ist der Anfang einer neuen Laufbahn, er gründet ein Coaching-Firma. Zwar hat er sich nie mit dem Thema Coaching befasst und auch keine Ausbildung gemacht, aber er vereinbart mit der Frau einen Termin.

Als ich den Hörer auflegte, ratterte mein Gehirn, schon befand ich mich mitten in der Coaching-Konzeption. Obwohl ich keine Ausbildung in diesem Fach hatte und es undenkbar war, mir auf die Schnelle ein paar theoretische Grundlagen anhand von Büchern anzueignen – das Lesen am Lesegerät ist sehr zeitaufwendig –, zweifelte ich nicht an meiner Eignung als Coach. Das Wissen, das ich brauchte, hatte ich durch persönliche Erfahrung gesammelt. Ich musste nur noch einen Weg finden, es erfolgreich weiterzugeben. (S. 194)

Am Ende des Buches steht sein Leben als Inhaber einer Coaching-Firma.

(Vgl. Film: Mein Blind Date mit dem Leben)

 

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