Keller, Helen: Meine Lehrerin und Freundin Anne Sullivan
TEACHER, 1956
Bern : Scherz, 1956
208 S.
Autobiografie
In diesem autobiografischen Buch beschreibt Helen Keller ihr Zusammenleben mit Anne Sullivan. Beide Lebensläufe sind eng miteinander verbunden, doch sie möchte in diesem Buch die Leistungen ihrer Lehrerin noch stärker hervorheben.
In der ‚Geschichte meines Lebens‘, die ich mit der Sorglosigkeit eines glücklichen, lebensbejahenden jungen Mädchens schrieb, unterließ ich es, in genügendem Maße auf die Hindernisse und Mühsale hinzuweisen, denen Anne gegenüberstand – und dieses Buch enthält noch andere Mängel, die mein heute reifer Sinn für Opfer mir nicht erlaubt, sie unberichtigt zu lassen. (S. 35)
Auch in diesem Buch beschreibt Helen Keller, wie sie lernte, die Handzeichen, die sie zunächst nur mechanisch imitierte, den Dingen zuzuordnen. In den Teilen, die ihre Kindheit betreffen, schreibt sie von sich selbst in der dritten Person. Das Kind, das sie vor der Ankunft Anne Sullivans war, nennt sie Phantom, danach bezeichnet sie sich als Helen.
Große Teile des Buches beschäftigen sich mit der Zeit, als sie mit Anne um die Welt reist. Helen Keller schreibt in der Zeit Bücher und hält weltweit Vorträge. Sie engagiert sich für die „American Foundation for the Blind“, äußert sich aber auch zu anderen Themen.
Unsere Arbeit zu Hause war verdoppelt, denn es galt, die Lücken in der Dokumentation über die Blinden und die Tauben zu schließen, sich mit Friedens- und Kriegsfragen zu beschäftigen, mit Büchern, die soeben erschienen waren, mit Sozialismus und so weiter (S. 138)
Später unterstützt sie noch eine dritte Frau, Polly Thomsen, die viel organisatorische Arbeit übernimmt, weil Anne Sullivan selbst zunehmend wieder erblindet. Zu ihren Problemen gehört chronischer Geldmangel, denn bei ihren Vorträgen verdienen sie nur wenig. Deshalb treten sie auch im Varieté auf. Aber auch Annes schlechter werdender Gesundheitszustand und ihre Stimmungsschwankungen, die Helen Keller mit nervlicher Überlastung erklärt, machen ihnen zu schaffen.
Nach Anne Sullivans Tod lebt Helen Keller noch mehrere Jahrzehnte. In ihrem Vorwort gibt Nella Braddy Henney folgenden Dialog wieder:
Ein paar Wochen vor ihrem Tod sagte jemand tröstend zu ihr: „Anne, Sie müssen gesund werden. Ohne Sie wird Helen nichts sein.“ „Das würde bedeuten, daß ich versagt habe“, lautete Annes Antwort (S. 18)
Helen Keller bleibt noch viele Jahre aktiv, unterstützt von Polly Thomsen unternimmt sie Weltreisen, hält Vorträge. Sie beschreibt die Bedeutung, die ihre Lehrerin und Freundin über ihren Tod hinaus hatte, folgendermaßen:
Weil ich weiß, daß sie in und mit mir weiterlebt, habe ich neue Wege gesucht, um Männern und Frauen, die von Blindheit, Stummheit, Krankheit oder Sorgen niedergedrückt wurden, neuen Lebensmut einzuflößen. Und manchmal scheint es, daß Gott die Frau, die meine Nacht zur Flamme entfachte, benützt, um anderen Licht zu bringen. (S. 207 f.)
vgl. Behrens, Katja: Alles Sehen kommt von der Seele. Die Lebensgeschichte der Helen Keller
vgl. Garlick, Phyllis: Licht brach in die Dunkelheit
vgl. Jaedicke, Martin: Helen Keller
vgl. Keller, Helen: Die Geschichte meines Lebens
vgl. Licht im Dunkel
vgl. The Miracle Worker - Wunder geschehen