Kipling, Rudyard: Das Licht erlosch
THE LIGHT THAT FAILED, 1891
München : Droemer Knaur, 1978
191 S.
Roman
Dick Helder verbringt seine Kindheit bei einer Pflegemutter, die außer ihm noch ein weiteres Pflegekind hat, die selbstbewusste Maisie. Erst als Maisie die Pflegemutter verlässt, gestehen sich die Kinder ihre gegenseitige Zuneigung ein.
Dick kommt während des Sudankrieges an die Front und wird dort von einem Kriegsberichterstatter als Zeichner entdeckt. Nach dem Krieg wird er berühmt und reich. Durch Zufall trifft er Maisie wieder und merkt, dass er sie immer noch liebt. Maisie möchte sich aber nicht an ihn binden. Auch sie bemüht sich seit Jahren darum, eine erfolgreiche Malerin zu werden, doch ihre Bilder finden keine Anerkennung. Dick versucht, sie zu unterstützen, und träumt davon, mit ihr die Farben des Orients zu sehen. Aber Maisie bleibt auf Distanz. Sie fährt für ein halbes Jahr nach Paris, um dort Malunterricht zu nehmen. Beide wollen in dieser Zeit ein Bild zum Thema Melancholie malen. Während Dick an seinem Bild arbeitet, bemerkt er Sehstörungen. Es ist die Folge einer Kriegsverletzung und führt zur Erblindung. Nun malt Dick wie besessen, denn er möchte das Bild noch vor seiner Erblindung fertigstellen. Er schafft es gerade noch – und das Bild ist das beste, das er je gemalt hat. Sein Modell, eine junge Frau namens Bessie, hasst ihn allerdings, weil er ihre Heirat mit einem Freund verhindert hat. Aus Wut zerstört sie das fertige Bild mit Terpentin. Dicks Freunde sind über die Tat entsetzt, doch Dick hat nichts davon mitbekommen, weil er mittlerweile völlig erblindet ist. Zuerst wird Dick von seinen Freunden versorgt, dann bricht ein neuer Krieg im Sudan aus und alle wittern neue Chancen als Kriegsberichterstatter. Die Frage ist nur: Was wird aus Dick? Eine Frau scheint die ideale Lösung zu sein. Einer der Freunde fährt deshalb nach Paris zu Maisie. Sie hat auch dort nicht den gewünschten Erfolg mit ihren Bildern, stattdessen merkt sie, dass sie Dick vermisst. Kurzentschlossen fährt sie zurück nach London. Als sie aber vor dem blinden Dick steht, kann sie ihn nicht lieben.
Sie sah auf, und zufällig trafen Dicks Augen mit ihren zusammen. Das unrasierte Gesicht war blass und starr, und seine Lippen versuchten vergeblich, sich zu einem Lächeln zu zwingen. Aber es waren die erloschenen Augen, vor denen Maisie Furcht hatte. Ihr Dick war blind geworden und an seiner statt war ein Mensch übriggeblieben, den sie kaum erkannte, wenn er nicht sprach. (S. 148)
Am schlimmsten ist für sie, dass er ihr sein Bild „Melancholie“ schenken will, nicht ahnend, dass nach der Terpentinattacke darauf nur einige Kleckse sind. Maisie muss einen hysterischen Lachanfall unterdrücken und verlässt fluchtartig seine Wohnung. Die Freunde wissen nichts vom Ausgang dieser Begegnung und Dick lässt sie in dem Glauben, dass es zu einer Hochzeit käme, damit sie ruhigen Gewissens abfahren können. Er bleibt allein zurück; außer den Wirtsleuten, die ihm das Essen bringen und einmal den Sohn zum Vorlesen schicken, hat er niemanden. Er verkommt innerlich und äußerlich. Die Kleider sind verdreckt, er ist unrasiert und verbringt die Tage mit Warten bzw. mit Gedanken an Maisie. Bessie, sein früheres Modell, taucht wieder auf, die Wirtsleute haben sie entdeckt. Sie versorgt Dick eine Zeitlang. Es ist nicht die große Liebe, aber Dick hofft, so Maisie zu vergessen, und Bessie, die sich immer mit zweifelhaften Stellen durchgeschlagen hat, glaubt an eine gesicherte Existenz zu kommen. Nun soll sie das Bild „Melancholie“ bekommen, um sich von dem Erlös Kleider zu kaufen. Bessie gesteht jetzt, dass sie das Bild damals zerstört hat. Dick macht ihr keine Vorwürfe, aber er entschließt sich, sein Leben in London aufzugeben und nach Afrika zu reisen. Konsequent verkauft er alle Möbel, verbrennt seine Bilder, Briefe, Rechnungen und macht ein Testament zu Maisies Gunsten. Dann fährt er in das Kriegsgebiet. Unterwegs erinnert er sich an frühere Reisen und die vielen visuellen Eindrücke.
Da war Farbe, Licht und Bewegung, ohne die kein Mann rechtes Vergnügen am Leben finden kann. Heute Nacht blieb ihm nur eine Reise durch die Dunkelheit – jene undurchdringliche Dunkelheit, die dem Reisenden nie verrät, wie weit er gekommen ist. (S. 187)
Er will in Afrika einen alten Kollegen und Freund treffen und hofft, der Freund würde in ihm das sehen, was er früher einmal war, ein erfolgreicher Kriegsberichterstatter. Tatsächlich findet er ihn und bekommt in dem Moment eine Kugel in den Kopf.
Sein Glück war ihm treu geblieben bis zum letzten Schluß, bis zur befreienden Wohltat einer Kugel durch den Kopf. (letzte Seite)