Martin, Hansjörg Martin: Hell und Dunkel
Stuttgart : Thienemann, 1992
125 S.
Jugendroman
Jochen, knapp fünfzehn, sieht während eines Rockkonzertes ein Mädchen, das ihn fasziniert. Nur ihre dunkle Brille findet er „affig“. Einige Tage später erkennt er sie im Bus wieder, erneut mit dunkler Brille. Er folgt ihr bis vor ihre Haustür. Dabei sieht er, wie sie ihren Schlüssel verliert und den Boden abtastet. Nun ist Jochen klar, dass das Mädchen blind ist. Er spricht sie an, sie heißt Tina und die beiden freunden sich an. Sie gehen zusammen in den Zoo und er liest ihr vor. Tina erklärt ihm, wie sie sich orientiert, welche Hilfe sie braucht und dass sie kein Mitleid will. Jochens Mutter ist skeptisch.
„Du bist dir ja wohl im Klaren, Jochen“, sagte Frau Kauz, die vom Bericht ihres Jungen überrascht, aber auch eigenartig gerührt war, „daß so eine Freundschaft nicht einfach ist. Da kannst du nicht wie sonst, wenn es mal Streit gibt– und Streit gibt es immer und überall mal – da kannst du also nicht sagen: ‚Ach, rutsch mir mal den Buckel runter!‘ oder so was – und das Mädchen stehen lassen und abrauschen und die Beziehung abbrechen. Ich glaube, so jemand ist viel verletzlicher. Aber das ist ja auch kein Wunder, verstehst du?“ (S. 35)
Die Frage löst sich jedoch von allein. Kurz nachdem die beiden sich kennengelernt haben, erkrankt Jochens Vater. Er kann seinen alten Beruf als Lokführer nicht mehr ausüben. Die einzig interessante Alternative zur Frührente ist eine neue Arbeitsstelle in Frankfurt. Der Familienrat beschließt folglich, von Hamburg nach Frankfurt zu ziehen, und die sich gerade entwickelnde Freundschaft zwischen Jochen und Tina wird sich, solange Jochen zur Schule geht, nicht vertiefen. Tina ist erst enttäuscht, aber der Wechsel hat für sie und ihre Familie auch Vorteile. Sie können aus ihrer engen Mietwohnung, in der es ständig Ärger mit dem Vermieter gab, in das freigewordene Haus von Jochens Eltern ziehen. Tina kann dort sogar einen Hund halten, den Jochen ihr noch zum Abschied schenkt.
Der Autor wirbt dafür, dass Sehende sich um Blinde kümmern. Dies wird schon durch das Zitat deutlich, das dem Roman vorangestellt wird.
"Greif an mit Gott,
Dem Nächsten muß man helfen,
Es kann uns allen Gleiches ja begegnen."
Schiller, Wilhelm Tell (Vorwort)
Gleichzeitig kann sich der Autor keine selbstverständliche Liebesbeziehung zwischen einem blinden und einem sehenden Menschen vorstellen.