Millar, Margaret: Blinde Augen sehen mehr
WALL OF EYES, 1943
Zürich : Diogenes, 1990
292 S.
Roman
Zwei Welten prallen in diesem Krimi aufeinander. Auf der einen Seite die Familie Heath, bestehend aus dem Vater und seinen drei erwachsenen Kindern John, Alice und Kelsey. Sie leben zusammen in einer großen Villa, in der auch Kelseys Verlobter Philip wohnt. Die Familie ist reich und auf gutes Ansehen bedacht. Doch die Beziehungen untereinander sind fast neurotisch, ein Netz von Abhängigkeiten.
Auf der anderen Seite ist Joeys Club, ein billiger Nachtclub. Seine Mitarbeiter sind weniger vornehm, aber ihre Beziehungen sind nicht weniger brüchig.
Doch die Welten haben auch einiges gemeinsam. Johns neue Freundin ist Tänzerin in diesem Nachtclub und auch seine frühere Freundin Geraldine hat dort gearbeitet. Vor zwei Jahren starb Geraldine bei einem Unfall, und Kelsey, die ebenfalls im Auto saß, erblindete.
Seitdem ist sie unberechenbar, besonders ihrem Verlobten Philip gegenüber verhält sie sich unverständlich. Offensichtlich will sie ihn nicht mehr heiraten, aber es kommt auch zu keiner Trennung. Philip unternimmt gelegentlich den Versuch, sich von ihr zu lösen, erscheint aber immer wieder. So geht es allen Mitgliedern der Familie, sie kommen mit Kelsey nicht zurecht, wollen sie aber auch nicht allein lassen. Alice begründet es mit ihrer Blindheit.
Kelsey unternimmt einen Selbstmordversuch, etwas später wird sie ermordet. Die Polizei konzentriert sich bei ihren Ermittlungen schon bald auf Joeys Club und sein Umfeld.
Am Ende stellt sich heraus, dass Kelseys Verlobter Philip ein Doppelleben führte. Als Kelseys Bruder John sich mit Geraldine, einer Mitarbeiterin des Clubs, anfreundete, drohte Philips Doppelleben aufzufliegen. Deshalb provozierte er den Unfall und brachte Geraldine mit Glasscherben die Wunden bei, an denen sie verblutete. Kelsey ahnte als Einzige die Wahrheit.
Ihre Sinne hatten sich geschärft und zersplittert, und die Splitter waren wie Antennen, die von ihrer Umgebung nicht wahrgenommene Wellen auffingen und an Kelsey weitergaben. Ich denke, daß sie zwei Jahre lang den Unfall immer wieder in allen Einzelheiten durchlebt hat, und ich denke, daß sie zum Schluß Bescheid wußte. (S. 283)
Philip spürte ihre Zweifel, deshalb blieb er bei ihr. Er fürchtete, dass sie sonst erst recht reden könnte. Nach ihrem gescheiterten Selbstmordversuch bekommt er Angst. Er fürchtet die Fragen der anderen nach den Gründen. Deshalb ermordet er auch sie.