Ott, Wolfgang: Ein Schloß in Preußen
München : Droemer
Deutsche Ersterscheinung 1981
224 S.
Roman
Preußen, kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges. Die Familie von Cronsberg lebt auf einem Schloss; Achim, der neunjährige Sohn, wächst mit zahlreichen Bediensteten auf. Sein Vater, Graf von Cronsberg, sorgt väterlich für die Dorfbewohner, die fast alle auf seinem Gut arbeiten. Achim darf nicht mit den anderen Kindern in die Dorfschule gehen, aber er kennt die Kinder im Dorf, unter anderem Maria, die er durch das Schloss führt.
„Die Halle kennst du ja“, sagte er und wollte in den Musiksaal gehen.
„Sie ist ziemlich groß, nicht?“ sagte Maria.
„Ziemlich.“
„Ich hab sie mir nicht so groß vorgestellt, aber als wir eben durch die Halle liefen, da hab ich gemerkt, es klang wie in einer Kirche, es klang so leer. Steht nichts drin?“
„Nicht viel, nur zwei Ritterrüstungen und – “
„Was ist das?“
„Komm, faß mal an.“ (S. 7)
Maria ist blind, ihr Kinn und ihr Mund sind schief, sie ist in Lumpen gekleidet und Achim denkt, dass es eigentlich gut ist, dass sie sich nicht im Spiegel sieht. Der Junge hat das Bedürfnis, sie zu beschützen, vor dem gewalttätigen Stiefvater und vor den anderen Dorfkindern.
Im weiteren Verlauf des Romans geht es um die Probleme der Gutsbesitzerfamilie. Am Ende taucht Maria wieder auf. Ihr Stiefvater möchte sie in eine Blindenanstalt schicken, Maria, die offenbar die Dorfschule besucht, will das nicht. Achim kann seine Eltern überreden, sie auf dem Gut einzustellen. Sie arbeitet in der Wäschekammer, dort wird sie gut behandelt und auch ihr Stiefvater behandelt sie besser, seit sie Geld nach Hause bringt. Jetzt trägt sie auch bessere Kleidung.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges flieht die Familie mit dem Großteil ihres Personals. Maria ist auch dabei. Damit endet der Roman.
In einer kleinen Nebenrolle kommt noch eine blinde Frau vor, die zwei Söhne im letzten Krieg verloren hat und seitdem geistig verwirrt ist. Ihr Mann erzählt ihr, dass die Söhne auf dem Dorffriedhof begraben seien, und führt sie zum Grab der Großmutter. Da sie die Inschriften nicht lesen kann, bemerkt sie den Schwindel nicht und pflegt das Grab mit Hingabe.