Berger, Margot: Blindes Vertrauen

Würzburg : Ensslin, 2007
182 S.
Jugendroman

Mona Borchert, vierzehn Jahre alt, war eine talentierte, ehrgeizige Reiterin, der eine große Karriere vorausgesagt wurde, bis sie einen Reitunfall hat, bei dem sie schwer verletzt wird. Als sie nach mehrtägigem Koma aufwacht, ist sie blind.

Höhnisch lachte Mona auf. Die Dressurreiterin Mona Borchert gab es nicht mehr. Sie war ausgelöscht. Tot. So gut wie tot. Ein Nichts. Gefangen in ewiger Dunkelheit. (S. 9)

Mona verkriecht sich in den folgenden Wochen in ihr Zimmer, wehrt alle Versuche ihrer Mutter ab, ihr zu helfen. Sie möchte auch keine Besucher empfangen, schon gar keinen Psychologen. Dazu kommt, dass ihr zunächst jedes Gefühl für ihren Körper fehlt, sie weiß plötzlich nicht mehr, wo ihre Arme und Beine enden. Außerdem kann sie sich an vieles nicht mehr erinnern, sie weiß nicht mehr, wie ihr Pferd Vitus aussieht.
Ihre resolute Freundin Julia schafft es, sie einige Wochen nach dem Unfall aus diesem Loch zu holen. Sie redet von den Pferden und überzeugt Mona, in den Garten zu gehen und barfuß durch das Gras zu laufen, damit sie ihre Füße spürt. Mona entwickelt etwas Interesse an der Umwelt, geht auch wieder in den Stall. Doch der erste Reitversuch ist für sie eine Katastrophe, sie ist unsicher, wie eine Anfängerin. Sie zieht sich wieder in ihr Schneckenhaus zurück. Julia erkennt, dass Mona professionelle Hilfe braucht. Aber Mona sträubt sich dagegen.

Blindenverein. Allein der Name versetzte ihr einen Riesenschrecken. Nie im Leben wollte sie damit zu tun haben, niemals. (S. 67)

Julia speichert die Nummer des Vereins in Monas Handy ein und markiert die Wahlwiederholung mit einem Klebepunkt. Dann lässt sie Mona mit dem Handy allein.

Wenn ich jetzt auf die Taste mit dem Kleber drücke, dachte Mona, bin ich wirklich blind. Wirklich und wahrhaftig. Unwiderruflich. (S. 68)

Schließlich ruft sie an und spricht dabei das erste Mal aus, dass sie blind ist.
Dann beginnt sie mit dem Mobilitätstraining. Robert, ihr Trainer, gewinnt bald ihr Vertrauen, denn er versteht viel von Pferden. Mit ihm lernt sie, sich im Stall zu orientieren. Sie beginnt wieder zu reiten, erst an der Longe, dann ohne. Eher durch Zufall merkt sie, dass es ihr hilft, wenn sie an verschiedenen Punkten der Halle Musik vom CD-Player abspielt. Um reiten zu können, lernt sie auch den Weg zur Reithalle zu bewältigen. Den Stock benutzt sie allerdings nur ungern und selten, und der sprechende Kompass, den sie von ihrem Mobi-Trainer erhält, ist auch nicht in allen Situationen hilfreich. Deshalb beantragt ihre Mutter bei der Krankenkasse einen Führhund. Sie muss einige Zeit auf ihn warten, aber dann lernt sie mit einem Ausbilder, mit dem Hund zu laufen.
Neben dem Reiten muss sie auch noch andere Dinge lernen, zum Beispiel die Punktschrift. Es ist mühsam, aber sie hält durch. Sie kommt wieder auf ihr altes Gymnasium, allerdings eine Klasse tiefer. Ein Lehrer der Blindenschule soll sie dabei begleiten und unterstützen. Mona fürchtet sich davor, dort Außenseiterin zu sein. Einige ihrer Befürchtungen bewahrheiten sich, andere nicht.

Obwohl die Klasse so tat, als sei eine blinde Mitschülerin das Normalste der Welt, spürte Mona deutlich, dass nichts normal war. Gar nichts. Am schlimmsten fand sie das ständige Angefasstwerden. Jeder zerrte sie schweigend irgendwohin, zur Tür, über den Schulflur, zum Treppengeländer, in den Bus, und Mona erschreckte sich jedes Mal furchtbar, wenn eine Hand nach ihr griff. Dagegen erlebte Mona auch positive Überraschungen. Neue Schulkameraden, mit denen Mona früher nichts zu tun hatte, unterstützten sie ohne viel Aufhebens. So tauchten Rahel, Leonard und Marie regelmäßig in der Heidebachstraße auf, um Mona Deutsch- und Geschichtstexte vorzulesen oder mit ihr Vokabeln zu üben. (S. 153 f.)

Mona lernt langsam und mit vielen Rückschritten, ihre Situation kann sie noch nicht akzeptieren. Besonders schwer fällt es ihr in der Weihnachtszeit. Sie fürchtet sich vor dem Weihnachtsfest mit der ganzen Familie und lehnt es deshalb kategorisch ab, überhaupt zu feiern. Stattdessen zieht es sie in den Stall. Ganz allein reitet sie in der leeren Halle, und mit einem Mal gelingen ihr Hufschlagfiguren so gut wie noch nie seit ihrem Unfall. Sie merkt, wie sich etwas verändert, und sie kann sich selbst wieder leiden.

Obwohl die Dunkelheit vor ihren blinden Augen immerzu fortbestand, fühlte Mona sich nicht mehr so schrecklich fremd in ihrem Körper.
Sie hatte akzeptiert, dass sie sich neu erfinden musste.
Was für ein Gefühl. Endlich konnte sie freier atmen. Am liebsten wäre Mona nach draußen gerannt, durch die Lindengasse, durch die Heidebachstraße, durch ganz Dortmund, bis nach Wyoming, um allen zuzuschreien: „Ich bin wieder ein ganzer Mensch!“ (S. 135 f.)

Dann tauchen ihre Freundinnen auf und fragen, ob sie zusammen Weihnachten feiern wollen. Und Mona freut sich auf eine Weihnachtsfeier.
In der Folgezeit vermisst sie allerdings die Turniere, bis ihr Reitlehrer sie darauf anspricht. Er hat gelesen, dass blinde Reiter auf Wettbewerben mit Callern reiten können, die bestimmte Punkte ansagen. Sie beginnt für die A-Dressur zu üben, früher war das unter ihrem Niveau, aber sie muss von vorne anfangen. Sie gewinnt das erste Turnier und wird gefragt, ob sie für die Paralympics trainieren will.

 

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