Saramago, José: Die Stadt der Blinden

ENSAIO SOBRE A CEGUEIRA, 1995
Reinbek : Rowohlt, 1999
398 S.
Roman

Ein Autofahrer erblindet von einer Sekunde auf die nächste und steckt innerhalb kürzester Zeit alle Menschen an, mit denen er Kontakt hat. Der Augenarzt, den er aufsucht, kennt die Krankheit nicht, fühlt sich aber verpflichtet, die Behörden zu informieren.
Diese ordnen an, alle Betroffenen in einer leerstehenden psychiatrischen Klinik, einer „Irrenanstalt“, unterzubringen. Soldaten bewachen das Gebäude und haben den Auftrag, jeden Flüchtenden zu erschießen. Zu den ersten Bewohnern gehören auch der Augenarzt und seine Frau. Die Frau kann zwar sehen, verheimlicht das aber. Zuerst verschweigt sie es, um bei ihrem Mann bleiben zu können, später, weil sie Angst hat, dann für alle sorgen zu müssen. Die Regierung hat versprochen, dreimal am Tag Essen zu liefern, doch schon bald stellt sich heraus, dass die Lebensmittel nicht reichen, weil jeden Tag neuerblindete Menschen dazukommen. Bald sind alle Säle und Betten belegt. Es kommt zu Machtkämpfen und Tyrannei. Zuerst sind es die sehenden Wachposten, die ihre Macht schamlos ausnutzen und von ihren Waffen Gebrauch machen. Später beginnen sich die blinden Bewohner untereinander zu bekämpfen. Die Bewohner eines Saales horten das Essen und die anderen müssen es ihnen abkaufen. Erst fordern sie alle Wertsachen, später die Frauen, die sie vergewaltigen. Die Frau des Augenarztes nutzt ihre geheim gehaltene Sehfähigkeit, um den Anführer des erpresserischen Schlafsaales mit einer Schere zu erstechen. Es kommt zu kriegsähnlichen Zuständen, eine blinde Frau legt in ihrer Verzweiflung ein Feuer. Die Anstalt brennt ab, einige können sich retten, unter anderem der Augenarzt und seine Frau, vier weitere blinde Menschen, darunter ein Kind, für das sich alle verantwortlich fühlen. Als sie die Anstalt verlassen, merken sie, dass die Soldaten nicht mehr vor Ort sind; sie sind ebenfalls erblindet, wie alle Bewohner der Stadt. Nur die Frau des Augenarztes hat sich nicht angesteckt, niemand weiß, weshalb. In der Stadt gibt es keinen Strom mehr, kein Wasser, die Lebensmittelgeschäfte sind geplündert, und auf den Straßen sammelt sich der Unrat.
Die Gruppe um den Augenarzt versucht, ein einigermaßen geordnetes Leben zu organisieren, aber auch die anderen beginnen, über neue Organisationsformen nachzudenken. Bevor es dazu kommt, setzt die Sehfähigkeit wieder ein.
Auffallend ist, dass es im Roman keine Namen gibt. Die Stadt wird nur als „die Stadt“ bezeichnet und die Menschen als „der erste Blinde“, „der Augenarzt“, „die Frau des Augenarztes“, „der Mann mit der Augenklappe“ usw.

 

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