Stehr, Hermann: Peter Brindeisener

München : Paul List, 1950
Ersterscheinung 1924
285 S.
Roman


Ein junger Mann lernt den alten, etwas schrulligen Buchhalter Peter Brindeisener kennen, der ihm in einer Art Lebensbeichte seine Geschichte erzählt.
Peter Brindeisener wächst auf einem Bauernhof auf, sein Vater ist ein cholerischer Mann, getrieben von seinem Hass auf den Nachbarn, den Sintlingerbauern. Die Sintlingers haben eine kleine blinde Tochter, Helene, auch Leni genannt. Zunächst betrachtet der Junge das Nachbarmädchen nur aus der Ferne.


(…) als ich einigemal das blinde Mädchen in Begleitung einer alten Frau gesehen hatte, wie sie zierlich, fast schwebend, in ihrem duftigen Kleidchen und blonden Haar eher ein unwirkliches weißes Wölkchen als ein Menschenkind war (S. 56)


Als Peter etwa zwölf Jahre alt ist, beobachtet er sie im Garten, fasziniert von ihrer engelhaften Art. Leni, die nicht weiß, dass sie beobachtet wird, sang vor sich hin.


Da war auch nicht ein Laut, der so vollkommen aus ihrer Seele quoll, so, daß er gleichsam dadurch selbst zu sein aufhörte. (S. 66)


Er verehrt von da an die entrückte Helene und hat gleichzeitig wechselnde Beziehungen mit anderen Mädchen und Frauen. Nach einigen Jahren kehrt er – mittlerweile Student – in sein Heimatdorf zurück und trifft Helene auf einem Spaziergang. Erst fällt ihm auf, dass sie sich seltsam verhält.


(…) breitete sie die Arme aus, aber nicht eigentlich nach mir, der ihr auf der Straße nahte, sondern nach einem, der wie aus dem Himmel auf sie zukam (S. 209)


Dann bricht sie mit einem  „Schrei der Erlösung“ (S. 210) zusammen, Peter kann sie gerade noch auffangen und zu ihren Eltern bringen. Drei Tage später wird Peter auf den Sintlingerhof gerufen. Helene kann seit dem Anfall sehen und sagt, dass sie Peter über all die Jahre heimlich liebte.


Das Sintlingerlenlein, das für mich immer jenseits der Erde geschwebt hatte, war mir ans Herz gesunken. Ich hatte sie auf diese Welt herübergerissen, zu mir, und dabei waren wie von selbst die Todesschatten der Blindheit von ihr abgefallen, und ich besaß sie nun noch inniger, wie ich sie je begehrt hatte. (S. 213)


Die beiden werden ein Paar und aus dem entrückten Mädchen mit dem schwebenden Gang wird eine leidenschaftliche Frau, die immer wieder auch den Körperkontakt sucht. Da Helene für ihn immer noch etwas Besonderes ist und er die Liebe zu ihr als „rein“ empfindet, versucht er sich zu beherrschen, auch wenn es ihm schwerfällt. Es kommt ihm entgegen, dass die Semesterferien zu Ende gehen und er wieder an die Uni muss. In den folgenden Semesterferien hat sich die wirtschaftliche Lage seines Vaters verschlechtert und sein Vater sieht nur einen Ausweg: Peter soll Leni heiraten und sich den Sintlingerhof aneignen. Peter findet es unehrenhaft, Lenis Liebe so zu missbrauchen, und trennt sich von Leni. Sie begeht wegen der Trennung Selbstmord und Peter, getrieben von Schuldgefühlen, führt daraufhin ein rastloses Leben.
Der Roman erzählt die gleiche Geschichte wie Stehrs Roman „Der Heiligenhof“, aber aus anderer Perspektive.

 

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