Stricker, Sven: Sörensen fängt Feuer
Reinbek : Rowohlt, 2018
448 S.
Roman
Eine junge Frau flieht. Sie tastet sich durch fremdes Terrain, weiß nicht, wohin sie laufen soll, nur dass sie weglaufen muss. Auf dem Weg versucht sie den Untergrund zu ertasten und Zweigen auszuweichen, dabei kommt sie nur mühsam vorwärts.
Auf ihrer Flucht wird sie beinahe von einem Auto angefahren, und der Fahrer bringt sie zur Polizei. Die Beamten stehen erst ratlos vor ihr. Eine Polizistin versucht Kriminalhauptkommissar Sörensen die Situation zu erklären.
„Sie weiß nicht, wie alt sie ist“, sagte sie. „Sie weiß nicht, dass wir in Katenbüll sind. Sie hat noch nie mit anderen Leuten gesprochen, nur mit ihrem Vater, sagt sie. Sie will uns nicht sagen, wo wir ihn finden. Sie ist blind. Sie ist unterernährt. Sie hat in einem Keller gelebt. Sie hat Angst. Es ist ein Wunder, dass sie schläft. Sie muss wahnsinnig erschöpft sein.“ (S. 43)
Natürlich kann die Frau nicht dauerhaft im Polizeirevier bleiben, deshalb zieht sie vorübergehend zu Sörensen. Sein Vater kümmert sich um die junge Frau, während Sörensen versucht, ihre Herkunft aufzuklären. Dabei stoßen sie auf mehrere ermordete Menschen, die zu einer Sekte gehören. Die blinde Frau, sie heißt Jette, ist das uneheliche Kind eines Sektenmitglieds. Da Jette blind geboren wurde und Gott nach Auffassung dieser Sekte keine behinderten Kinder will, sollte ein Arzt, der Mitglied der Sekte ist, sie in einer Babyklappe abgeben. Doch der Mann behielt sie bei sich, versteckte sie im Keller und erzählte ihr, er sei ihr Papa. Das funktionierte zwanzig Jahre, bis der Schwindel aufflog. Jettes Mutter geriet in Panik und tötete alle, die ihrem Geheimnis auf die Spur kommen konnten.
Jette ist der Anlass für die Ermittlungsarbeit, taucht aber nur an wenigen Stellen im Roman auf. Nach den Jahren im Keller muss sie erst einmal leben lernen. Dabei sind sich die Menschen um sie herum nicht einig, wie man damit umgeht. Es geht im Fragen wie:
Ist es egal, welche Art von Kleidung man für ein blindes Mädchen kauft oder drückt sich in der Kleidung nicht auch Respekt aus? (S. 154 f.)
Wie genau soll Sörensen der blinden Jette die Wirklichkeit schildern? Sörensens Vater schildert Jette die Gegend mit märchenhaft mit goldenen Schafen, was Jette sich sehr schön vorstellt. Sörensen hält sich grundsätzlich an Fakten, auch wenn sie hart sind.
Am Ende findet sich eine Perspektive für Jette. Die Eltern ihres leiblichen Vaters, die bislang nichts von ihr wussten, wollen sie aufnehmen.