Wunsch, Ruth; Brömmelhaus, Matthias: Über die Meere so weit.
Eine Kreuzfahrt mit der MS Europa ins Nordmeer
Münster : Octopus im Verlagshaus, 2012
135 S.
Erlebnisbericht
Ruth Wunsch, blind, unternimmt mit dem befreundeten Ehepaar Matthias und Monika Brömmelhaus eine Kreuzfahrt. Matthias Brömmelhaus und Ruth Wunsch führen ein Reisetagebuch, in dem sie abwechselnd ihre Sicht der Dinge schildern. Während Matthias Brömmelhaus Landschaftsbeschreibungen und Hintergrundwissen liefert, schildert Ruth Wunsch ihre persönlichen Eindrücke, ihre negativen und positiven Erfahrungen.
Zu den negativen Erfahrungen gehört, dass sie Schwierigkeiten hat, Kontakt zu den anderen Reisenden aufzunehmen.
Berührungsängste – die Ausrede kenne ich zur Genüge. Schade, ich empfinde es als vertane Chance, andere Menschen kennenzulernen, sich über die gemeinsame Reise auszutauschen und ein wenig voneinander zu erfahren. Nun könnte man sagen: Dann nimm du doch den Kontakt auf und beginne eine Unterhaltung. Das würde ich liebend gerne tun, aber weil ich blind bin, ist es mir nicht möglich, durch Blicke oder Augenkontakt zu signalisieren, dass ich an einem Gespräch interessiert bin.“ (S. 52 f.)
Aber es gibt auch positive Erfahrungen, z. B. die Begegnung mit einem Künstler, der Ruth Wunsch die Möglichkeit gibt, seine Requisiten kennenzulernen.
Eine Dame spricht sie an und fragt sie nach der Ursache ihrer Erblindung, entschuldigt sich dann aber gleich wieder für die Frage.
Ich beruhigte sie, indem ich ihr sagte, dass ich das keinesfalls als Neugier empfinde, wenn jemand Näheres über meine Behinderung wissen will. Nein, im Gegenteil, ich stufe es eher als ehrliches Interesse an mir ein. (S. 87)
Auch die kulturellen Ereignisse bei den Landgängen sind teilweise ein Gewinn. Sie kann Felle von unterschiedlichen Tieren befühlen und sich dabei ein Bild von der Größe der Tiere machen. Einige Erfahrungen bringen sie auch dazu, über ihr Leben und die wichtigen Dinge darin nachzudenken.
Doch diese Fundamente, die weit mehr als 1000 Jahre überdauert haben, brachten mich zu der Überlegung, wer oder was sind eigentlich meine Fundamente, auf denen ich stehe und lebe. Ich meine, es sind drei Säulen, die mich tragen: mein Glaube, meine 47-jährige Ehe mit einem wundervollen Mann und die Erinnerungen an alles Gute und Schöne in meinem Leben. (S. 39)