Zitelmann, Rainer: Ich will: Was wir von erfolgreichen Menschen mit Behinderungen lernen können

München : Finanzbuchverlag, 2021
341 S.
Biografien

Dieses Buch enthält 20 Biografien von Menschen mit Behinderungen, zum Teil noch heute lebende Menschen, aber auch Personen, die in früheren Jahrhunderten gelebt haben. Neun der Menschen, über die Zitelmann schreibt, haben Sehbehinderungen (James Holman, William Hickling Prescott, Helen Keller, Ray Charles, Stevie Wonder, Andrea Bocelli, Erik Weihenmayer, Marla Runyan und Johann König). Das Vorwort stammt von Saliya Kahawatte, einem sehbehinderten Coach.
Allen gemeinsam ist, dass sie berühmt und sehr erfolgreich sind, und das ist auch das Thema des Buches.
Zitelmann unterteilt die Menschheit in zwei Gruppen, die Erfolgreichen und die Erfolglosen.
Dies findet sich in jedem Kapitel. Einige Beispiele:  

Doch Holman hatte eines mit allen wirklich erfolgreichen Menschen gemeinsam: Er hatte ein klares Ziel. (S. 49)

Prescott verfügte über eine Fähigkeit, über die alle sehr erfolgreichen Menschen verfügen: (…) (S. 71)

Aber im Grunde wissen es die Erfolgreichen besser: (S. 252)

In Büchern über erfolgreiche Menschen lesen wir oft (…) (S. 279)

Die wichtigste Botschaft Zitelmanns ist:

So wie alle erfolgreichen Menschen suchte Ray die Gründe für seine Erfolge ebenso wie die Gründe für seine Niederlagen nicht in äußeren Umständen und gab auch nicht anderen die Schuld. (S. 165)

Aus psychologischen Untersuchungen wissen wir, dass sich erfolglose Menschen als Opfer äußerer Umstände sehen und glauben, ihr Leben werde von Faktoren bestimmt, die außerhalb ihres eigenen Einflusses liegen. Erfolgreiche Menschen betonen viel stärker jene Dinge, die sie selbst beeinflussen und verändern können. (S. 301)

Zeitgleich mit dem Erscheinen des Buches schrieb Zitelmann einen Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (8. Juni 2021), in der er sein Buch ankündigte und noch einmal seine Absichten erklärte und verdeutlichte.
Seine Bewunderung gilt Erik Weihenmayer.  

Dabei zielen seine Anstrengungen nicht auf politische Rechte und Quoten, sein Mittel ist nicht die Anklage gegen die Gesellschaft. (Neue Zürcher Zeitung, 8. Juni 2021)

Zitelmann beklagt, dass benachteiligte Menschen selbst zu wenig aktiv werden – beziehungsweise das Falsche tun –, um ihre Lage zu verbessern.

Die eigene Situation soll nicht vor allem durch individuelles Leistungsstreben verbessert werden, sondern durch Rechte oder Sonderrechte für das eigene Kollektiv, die auf politischer Ebene erkämpft werden. (Neue Zürcher Zeitung, 8. Juni 2021)

Seine Kritik gilt einigen Politikern (und wohl auch allen Selbsthilfevereinen).

Demgegenüber steht die Philosophie der Identitätspolitiker, die den Menschen erklärt: „Du bist Opfer der Umstände, und du hast innerhalb dieser Strukturen keine Chance auf ein besseres Leben – deshalb schliesse dich uns an und kämpfe gegen die Strukturen.“ (Neue Zürcher Zeitung, 8. Juni 2021)

Weil er diese Haltung für schädlich erachtet, hat er ein Buch geschrieben, mit dem er beweisen will, dass es auch anders geht.
Doch auch Zitelmann muss zugeben, dass nicht alle seine Vorzeigemenschen mit Behinderungen seine Ansichten teilten. Helen Keller zum Beispiel ist für ihr Engagement für bessere Lebensbedingungen blinder Menschen und für ihren Einsatz für den Sozialismus einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Er schreibt, dass Keller sich 1909 den Sozialisten anschloss, und erklärt dies folgendermaßen:

Keller war ihr Leben lang sehr stark von Emotionen geleitet, man merkt dies all ihren Schriften an. Ein auf starken Emotionen basierender, überbordender Idealismus, verbunden mit Wirtschaftsferne, führt bei vielen Intellektuellen zu sozialistischen Überzeugungen (…)“ (S. 115)

Doch die eigentliche Zielgruppe Zitelmanns sind nicht Menschen mit Behinderungen, und er beschränkt sich auch nicht darauf, die richtige Politik für sie zu finden. Zitelmanns Zielgruppe sind Menschen ohne Behinderungen, die er direkt anspricht:

Wenn Sie, lieber Leser, zu den Nichtbehinderten gehören und die Geschichten von Menschen lesen, die mit ungeheurer Willenskraft und Zielstrebigkeit trotz Behinderung große Ziele erreichen, stellen Sie sich dann nicht auch die Frage: Was könnte ich erst erreichen, wenn ich die gleiche Beharrlichkeit, Zielstrebigkeit und Willensstärke aufbringen würde?“ (S. 293)

 

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