Brecht, Bertolt: Die Antigone des Sophokles
in: Joachim Schondorff: Antigone
München : Langen Müller, 1983
7. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung 1948
S. 323–371
Drama
Brecht setzt vor die „Antigone“ noch eine kurze Szene, in der die Geschichte der Antigone in die Zeit des Nationalsozialismus übertragen wird, die er für eine spätere Aufführung durch einen Prolog ersetzt.
Kreon will Antigone, die Braut seines Sohnes, mit dem Tod bestrafen, weil sie gegen sein Verbot ihren Bruder Polyneikes beerdigt hat, und er überwirft sich über diese Frage auch mit seinem Sohn Hämon.
Tiresias, der blinde Seher, kommt, von einem Kind geführt. Wie in der Version von Sophokles beschreibt auch bei Brecht Tiresias das Geschrei der Vögel und das stinkende Rauchopfer, und er begründet es damit, dass Kreon Polyneikes den Vögeln und Hunden zum Fraß angeboten hat.
(…) entweiht von Hund und Vogel, die sich sättigten,
vom unschicklich gefallenen Sohn des Ödipus.
Drum nicht mehr rauscht der Vögel wohlbedeutendes
Geschrei her, denn es hat von totem Menschen
das Fett gegessen. (S. 352 f.)
Tiresias sagt Kreon eine schlimme Zukunft voraus, die Kreon nicht ernst nimmt, bis er vom Tod seines anderen Sohnes Megareus erfährt. Nun will er sich mit Hämon versöhnen und kommt zu spät.
Tiresias bezieht sich bei seinen Vorhersagen auf die Beobachtungen des Kindes, aus denen er Rückschlüsse zieht.
Tiresias: (…) Zwar seh ich nur, was ein Kind sieht: dass den Siegessäulen das Erz recht dünn ist, sag ich, weil man noch viele Speere macht (S. 354)
Außerdem sagt er von sich selbst, dass sein Blick nicht verstellt ist.
Kreon: (...) Rings errichtete Säulen, ragende siehest du nicht. Tiresias: Sehe ich nicht. Und unverstellt bleibt der Verstand mir. (S. 352)
Er bleibt unbestechlich und will auch das Silber des Königs nicht, von dem er sagt, dass man ja gar nicht weiß, was man nach dem Krieg noch davon hat.
(Vgl. Euripides: Die Phönikerinnen)
(Vgl. Hasenclever, Walter: Antigone)
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