Coe, Jonathan: Der Regen, bevor er fällt

THE RAIN BEFORE IT FALLS, 2007
München : Deutsche Verlagsanstalt, 2009
2. Auflage
298 S.
Roman

Eine Frau und ihre erwachsenen Töchter ordnen den Nachlass ihrer verstorbenen Tante Rosamond. Die Tante vererbte ihren Besitz an ihre Großnichten und an eine blinde Imogen, die Enkelin von Rosamonds Cousine. Für Imogen hatte Rosamond kurz vor ihrem Tod mehrere Kassetten besprochen und die Nichten beauftragt, Imogen aufzuspüren und ihr die Kassetten zu bringen. Die Nichten hören sich die Kassetten an und erfahren so von schwierigen Familienverhältnissen, von Müttern, die ihre Töchter nicht lieben und von Töchtern, die jung in unglückliche Liebesbeziehungen flüchten und selbst Kinder bekommen, denen sie keine Liebe geben können. Am Ende dieser Kette steht Imogen, die von ihrer Mutter so geschüttelt wurde, dass sie erblindete.
Imogen taucht in diesem Roman nur am Anfang und am Ende auf sowie in der Erinnerung von Menschen, die ihr begegnet sind.
In einer Erinnerung befindet sie sich als kleines Mädchen auf einer Familienfeier. Alle waren damals vernarrt in sie. Einerseits war ihre Blindheit kaum zu bemerken, andererseits strahlte sie etwas Besonderes aus.

Es war zunächst wohl Mitgefühl, was sie anzog, dann aber auch die merkwürdige Aura eines stillen In-sich-Ruhens, die das kleine, hellblonde Kind umgab. Sie strahlte eine große Ruhe aus, und ein kaum merkliches Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. Wenn sie etwas sagte, was selten geschah, klang ihre Stimme fast unhörbar sanft. (S. 16)

Die Nichten können Imogen nicht mehr treffen, sie lebt zu dem Zeitpunkt nicht mehr, aber sie nehmen Kontakt mit ihrer Mutter auf. Diese kam nach der Misshandlung ihrer Tochter ins Gefängnis, ihre Tochter durfte sie nicht wiedersehen. Sie spürte sie trotzdem heimlich auf und beobachtete sie aus der Ferne.

Doch am darauffolgenden Nachmittag, dem Mittwoch, hatte ich Glück und sah sie allein durch das Tor kommen und zur hundert Meter entfernten Bushaltestelle laufen. Ich folgte ihr zur Haltestelle und stieg in denselben Bus wie sie. Ich war erstaunt, mit welcher Leichtigkeit sie alles tat, wie genau sie wusste, auf welcher Höhe sich die Türen befanden, wie hoch die Stufen waren, und alle diese Dinge. Die Leute fassten sie immer wieder am Arm, um ihr zu helfen, doch sie schien diese Hilfe eigentlich nicht zu benötigen. (S. 290)

Imogens Mutter berichtet, dass ihre Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam; sie lief ihrem Hund hinterher auf die Straße und wurde dabei überfahren.

 

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