Dürrenmatt, Friedrich: Der Blinde
in: Friedrich Dürrenmatt: Frühe Werke
Zürich : Diogenes, 1980
Deutsche Erstveröffentlichung 1960
S. 149–243
Drama
Ein Herzog, der seit einer Krankheit blind ist, sitzt vor den Ruinen seines Schlosses. Das Land ist durch den Dreißigjährigen Krieg zerstört und geplündert, doch der Herzog hat durch seine Krankheit nichts mitbekommen, und niemand hat den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen. Sein Sohn bestärkt ihn in dem Glauben, alles sei noch schön und unversehrt wie vor seiner Erkrankung. Der Herzog ist im Gegensatz zu seinen Mitmenschen glücklich; sein einziger Kummer ist, dass seine Tochter sich von ihm abgewandt hat.
Der Herzog wird zum Spielball seiner Mitmenschen, die die volle Macht über ihn haben. Sie bringen ihn dazu, seinen eigenen Sohn zum Tode zu verurteilen und schließlich selbst abzudanken. Ein Hofdichter will dem Herzog die Wahrheit sagen, doch der Herzog will sie nicht hören. Er erwürgt den Hofdichter.
Am Ende sind beide Kinder des Herzogs tot und der Statthalter, der ihn immer nur betrogen und hintergangen hat, verlässt ihn.
Das Thema ist „glauben oder nicht glauben“. Der blinde Herzog steht für den Glauben. Er glaubt seinen Mitmenschen alles, und auch in seinem Glauben ist er unerschütterlich und lässt sich durch Leid nicht davon abbringen. Er will auch gar nicht wissen, dass vieles anders ist, als er glaubt. Den Hofdichter hindert er gewaltsam am Sprechen: „Meine Hände schließen sich um deinen Hals wie zum Gebet.“ (S. 230)