Ebell, Carl: Aus meinem Leben. Erinnerungen eines Blindgeborenen
Berlin : Martin Warneck, 1906
248 S.
Autobiografie
Carl Ebell wird 1840 geboren. Sein Vater hat eine kleine Tuchfabrik. Als Carl ein Vierteljahr alt ist, haben seine Eltern das erste Mal den Verdacht, ihr Kind könnte blind sein. Jahrelang wehren sie sich gegen diese Erkenntnis.
Ganz dunkle Erinnerung bewahre ich daran. Wie begierig alles aufgegriffen wurde, was ich sagte oder tat, woraus sich nur ein Schimmer von Hoffnung schöpfen ließ, daß ich des Augenlichtes doch nicht ganz bar sei. (S. 2)
Die Eltern besuchen mit ihrem Kind zahlreiche Augenärzte und Heilpraktiker, bis sie sich mit der Blindheit ihres Kindes abfinden. Carl Ebell selbst empfindet seine Kindheit im Nachhinein als glücklich. Er ist froh um seine acht Geschwister, die ihn unterstützen und dafür sorgen, dass er nie einsam ist. Außerdem wird er als Kind einer kinderreichen Familie nie verwöhnt.
Seine Schwestern besuchen im Kindergartenalter eine Singschule und da Carl als kleiner Junge gut und gerne singt, schlägt der Lehrer vor, Carl mitzubringen. Er lernt dort viel auswendig. Sein Vater lässt für ihn Blechbuchstaben anfertigen, um ihm das Lesen zu ermöglichen, später lernt er noch die Stachelschrift und eine weitere Blindenschrift.
Mit knapp dreizehn Jahren kommt er in eine Blindenanstalt, die die Kinder aber hauptsächlich in handwerklichen Bereichen unterrichtet und ansonsten nur sparsam Bildung vermittelt. Carl langweilt sich, und da er viel krank ist, bittet die Schulleitung die Eltern, ihn wieder nach Hause zu holen. Als Carl wieder gesund ist, wird an eine Rückkehr in die Blindenanstalt nicht mehr gedacht, stattdessen melden die Eltern ihren Sohn auf einem Gymnasium an.
Beim Lernen wird er von Familienmitgliedern und Freunden unterstützt, die ihm vorlesen und nach seinem Diktat die Aufsätze schreiben. Eine Zeitlang wird ihm ein Mitschüler zugeteilt, der selbst Lücken hat und sie durch die Zusammenarbeit schließen soll.
Carl ist sehr ehrgeizig; als sein Vater ihn vom Griechisch-Unterricht befreien will, lehnt er das ab. Lediglich Naturwissenschaften und Geografie bereiten ihm Probleme, weil es hierbei an Hilfsmitteln fehlt. Ein Onkel erteilt ihm Privatstunden.
Nach dem Abitur studiert er Theologie und organisiert sein Studium ähnlich wie seine Schulzeit. Da er weiß, dass er es als blinder Theologe schwer haben würde, beginnt er schon als Student so oft wie möglich zu predigen, um so von seinen Fähigkeiten zu überzeugen.
Einige Theologen und Hochschullehrer setzen sich für ihn ein. Eine volle Pastorenstelle bekommt er nicht, aber er kann lange als Hilfsprediger in Stralsund arbeiten. Er ist als Springer für alle Pastoren tätig, die bei einzelnen Predigten oder Bibelstunden verhindert sind. Davon kann er einigermaßen leben. Zu seinem Haushalt gehören mittlerweile zwei seiner Schwestern, die ihm die Hausarbeit abnehmen und sich beim Vorlesen und den Schreibarbeiten abwechseln.
In den 1870er Jahren setzt sich die Punktschrift durch, die er ebenfalls lernt, um unabhängiger zu werden. Dies ist schon deshalb nötig, weil er im Laufe der Jahre zunehmend Hörprobleme bekommt. Vieles hört er kaum noch oder sehr verzerrt, sodass ihn auch das Zuhören belastet. Dies und verschiedene andere gesundheitliche Probleme führen dazu, dass er vorzeitig in den Ruhestand geht.
Die Autobiografie besteht neben der Lebensgeschichte aus einer Auflistung von Unterrichtsthemen, Predigttexten und einer Auseinandersetzung mit verschiedenen theologischen Positionen. Carl Ebell begründet das folgendermaßen:
Überhaupt betrachte ich mich in erster Linie nicht als Blinden, sondern als Theologen. (S. 204)