Erb, Susanne: Reisebekanntschaften

in: Susanne Erb: Zwischen Licht und Dunkelheit
Frankfurt : R. G. Fischer 1999
S. 141–151
Kurzroman

Melanie, 52 Jahre alt, hat nur einen kleinen Sehrest. Seit ihrer Scheidung lebt sie allein, aber sie hofft, einen neuen Partner zu finden.  

Sie wußte, daß dies sehr schwierig sein würde. Denn welcher gesunde Mann wollte eine sehbehinderte Frau? Doch sie glaubte, einem Mann noch einiges bieten zu können. (S. 142)

Auf einer Zugfahrt lernt sie den sympathischen und hilfsbereiten Daniel kennen. Sie unterhält sich gut mit ihm und freut sich, als sie ihn einige Monate später wieder trifft. Von da an halten sie Kontakt. Er geht sehr unbefangen mit ihrer Behinderung um, weiß immer, welche Hilfe sie braucht. Später erzählt er ihr, dass seine Mutter auch sehbehindert war.
Nach einem Ausflug fahren sie mit der Bahn nach Hause und hören, wie sich zwei Frauen über sie unterhalten. Sie bedauern den armen Mann, der ein blinde Frau hat, mutmaßen, dass sie ihm den Haushalt nicht führen kann, und wundern sich, warum er sich auf eine blinde Frau einlässt, wo er selbst doch so gut aussieht.
Melanie ist verunsichert und verletzt. Daniel sagt ihr, sie solle sich um das Geschwätz der Frauen nicht kümmern. Nachdem sie einige Stunden darüber nachgedacht hat, kommt sie zu dem Schluss, dass er Recht hat. Sie ruft ihn an und sagt ihm, dass sie ihn liebt.

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