Freytag, Gustav: Soll und Haben

Berlin : Verlag der Schillerschen Buchhandlung
Ersterscheinung 1855
Band 1: 427 S., Band 2: 303 S.
Roman

In diesem Entwicklungsroman geht es um zwei junge Männer, die beide zur gleichen Zeit ihre Heimatstadt verlassen, um eine Berufsausbildung zu beginnen.
Itzig, ein jüdischer Junge aus armen Verhältnissen, tritt in den Dienst des ebenfalls jüdischen Spekulanten Hirsch Ehrenthal.
Anton Wohlfahrt, Sohn eines kleinen Beamten, beginnt eine Lehre bei einem angesehenen Kaufmann. Er arbeitet sich hoch und gewinnt die Freundschaft der adligen Gutsbesitzerfamilie von Rothsattel. Baron von Rothsattel verliert im Laufe der Geschichte sein gesamtes Vermögen, weil er sich auf Geschäfte einlässt, die der Spekulant Ehrenthal ihm aufschwatzt. Auch Itzig spielt dabei eine unrühmliche Rolle. Der bankrotte Baron versucht sich zu erschießen, wird aber von seiner Frau gestört. Er überlebt blind. Anton Wohlfahrt entschließt sich in der Situation, für den bankrotten Baron zu arbeiten, der zwar ein polnisches Ersatzgut erhalten hat, das aber verwahrlost ist und von den polnischen Arbeitern nicht zuverlässig bewirtschaftet wird. Es ist eine schwierige Aufgabe, auf die Anton sich einlässt, zumal der Baron es ihm nicht leicht macht. Er ist launisch und unfreundlich, was wird mit seinem sozialen Abstieg und seiner Blindheit begründet wird. Der Baron empfindet sich als nutzlos und abhängig. Auch Anton ist es unangenehm, wenn er dem Gutsbesitzer sagen muss, wie schlecht es um seine Finanzen steht.

Und Anton empfand, während er sprach, wie peinlich es für ihn war, als ein Fremder in die geheimsten Angelegenheiten des Freiherrn eingeweiht zu sein, als ein Fremder, der den anderen sehr schonte, aber bei jeder vorsichtigen Wendung verriet, daß er ihn schonen mußte. Die Baronin, welche hinter dem Sessel stand, sah immer ängstlicher auf die Versuche ihres Gemahls, seine Aufregung zu meistern, endlich winkte sie heftig mit der Hand und Anton mußte mitten in seinem Bericht abbrechen.
Als er das Zimmer verließ, warf sich der Baron zornig zu seiner Frau zurück und schrie, in innerster Seele empört: „Ihr habt mir einen Vormund gesetzt.“ (Band 2, S. 44 f)

Besonders schlimm wird ihm sein Zustand bewusst, als es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der polnischen und deutschen Bevölkerung kommt. Er leidet in der Situation unter seiner militärischen Handlungsunfähigkeit.
Das Verhältnis zwischen dem Baron und Anton verschlechtert sich so sehr, dass Anton kündigt und zu seinem früheren Chef zurückgeht. Aber er bleibt mit der Familie von Rothsattel verbunden und kann ihre finanzielle Situation in Ordnung bringen.
Das zentrale Thema des Romans sind die unterschiedlichen Lebensläufe von Itzig und Anton. Die Geschichte von der Erblindung des Barons ist nur eine von mehreren Nebengeschichten, aber sie beeinflusst Antons Leben teilweise stark.

 

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