Gercke, Doris: Für eine Handvoll Dollar

München : Bertelsmann, 2004
Ersterscheinung 1998
157 S.
Jugendroman

Der dreizehnjährige Red Bull wächst in einem Vorort der USA auf, in dem überwiegend schwarze Menschen leben. Dort wohnt er zusammen mit seiner Mutter und seinem Großvater Sam, auch alter Mann genannt. Der alte Mann ist seit einigen Jahren nach und nach erblindet. Morgens wird er von seiner Tochter versorgt, bevor sie zur Arbeit fährt. Sie schiebt ihn im Rollstuhl auf die Veranda, wo er den ganzen Tag sitzt und von alten Zeiten redet, als sich die Schwarzen gegen ihre Unterdrückung wehrten. In seiner Familie interessiert das niemanden.
Red Bull, der so genannt wird, weil das seine ersten Worte waren, verbringt seine Zeit mit Kleinkriminellen. Eines Tages ziehen sein Freund John und er sich den Ärger eines Dealers zu: Sie müssen schnell 200 Dollar auftreiben, und ihre einzige Idee ist, den Coffeeshop zu überfallen, in dem Red Bulls Mutter arbeitet. Die Situation entgleitet ihnen, sie werden erkannt, geraten in Panik und erschießen einige Mitarbeiter. Damit endet die Geschichte, die abwechselnd jeweils aus der Perspektive der drei Familienmitglieder erzählt wird.
Der blinde Mann hört teilweise, dass sich sein Enkel ihm immer weiter entzieht, er ist voller Ahnungen, aber was sich genau abspielt, merkt er nicht. (Red Bull und sein Freund verstecken die Waffen auf der Veranda, auf der der Großvater seine Tage verbringt.) In Alltagsdingen ist er völlig hilflos, bleibt dort sitzen, wo ihn seine Tochter hinbringt, isst, was sie ihm vorgesetzt wird. Anfangs ist das noch plausibel, denn er ist nicht nur blind, sondern sitzt auch im Rollstuhl, den er aus eigener Kraft nicht bewegen kann. „Ich versuche, meine Hände in die Speichen zu fassen, ich kann die Räder fassen, aber den Stuhl kriege ich nicht von der Stelle.“ (S. 7) Im Laufe der Geschichte ist jedoch vom Schaukelstuhl und nicht mehr vom Rollstuhl die Rede, der Großvater kann aufstehen und laufen. Das macht er aber nur einmal, als seine Tochter Streit mit ihm hat und ihm die Unterstützung verweigert. Jetzt muss er sich um sich selbst kümmern, was ihm nicht gut gelingt.

Wir gehen über die Straße. Ich schau noch mal zurück und seh, wie der alte Mann sich am Geländer entlang nach vorne tastet. Wenn mich nicht alles täuscht, hat er seine Hose verkehrt herum angezogen. (S. 137)

Die Blindheit ist kein eigenständiges Thema, aber sie dient scheinbar als Erklärung für die äußere Passivität und Hilflosigkeit des Großvaters. So hat er die Rolle desjenigen, der das Unglück erahnt, aber nicht eingreifen kann.

 

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