Gide, André: Pastoralsymphonie
LA SYMPHONIE PASTORALE, 1919
Stuttgart : Reclam, 1980
80 S.
Erzählung
Ende des 19. Jahrhunderts wird ein Pastor zu einer sterbenden Frau gerufen, die gehörlos ist und mit ihrer blinden Enkeltochter in einem abgeschiedenen Haus lebt. Der Pastor nimmt das etwa 15 Jahre alte, völlig verwahrloste Mädchen mit nach Hause, trotz der Proteste seiner Frau. Es sei schließlich ihre Christenpflicht. Lange Zeit muss er sich mit dem Mädchen, das er Gertrud nennt, mühen. Sie hat bei ihrer Großmutter nie sprechen gelernt. Schließlich kommt es zum Durchbruch und danach lernt Gertrud schnell. Die Frau des Pastors beobachtet verärgert seine intensiven Bemühungen. Jakob, sein ältester Sohn, verliebt sich in Gertrud. Der Pastor verbietet ihm aber eine Beziehung mit ihr aus dem Grunde, dass man die Unerfahrenheit des Mädchens nicht ausnutzen dürfe. In Wirklichkeit – und das gesteht er sich spät ein – hat er sich selbst in Gertrud verliebt. Auch Gertrud liebt ihn.
Ein befreundeter Arzt kann Gertrud erfolgreich operieren. Der Pastor ist vollkommen glücklich, bis Gertrud in einen Fluss stürzt. Sie stirbt bald darauf an einer Lungenentzündung. Kurz vor ihrem Tod gesteht sie dem Pastor, dass sie sich selbst töten wollte.
In der Geschichte schildert Gertrud, wie sie ihre Heilung erlebte. Auf der einen Seite war alles wunderschön, doch sie sah auch anderes:
„Aber ich hatte mir die Stirn der Menschen nicht so kummervoll ausgemalt.“ (S. 77)
Sie betrachtet ihre enge Beziehung jetzt als Schuld, als Sünde, und erinnert den Pastor an ein Bibelzitat, das sie von ihm gelernt hat:
„Wenn ihr blind wäret, wäre keine Sünde über euch.“ (S. 78)
Sehend wird ihr bewusst, dass sie sich blind von dem Pastor ein falsches Bild gemacht hat.
„Als ich Jakob sah, habe ich auf einmal begriffen, dass nicht Sie es waren, den ich liebte, er war es. Er hatte ganz Ihre Züge, will sagen, die Züge, die ich Ihnen verliehen hatte.“ (S. 78)