Diskriminierung durch wohlwollende Darstellungen und positive Stereotypisierung
Christina Matschke
Wenn bestimmte Gruppen immer wieder (nur) stereotypisiert mit positiven Eigenschaften dargestellt werden, dann kann das langfristige negative Folgen haben, denn auch „freundliche“ und „wohlwollende“ Darstellungen von stigmatisierten Gruppen stellen eine Form von Diskriminierung dar. Aber warum ist nett gemeint in diesem Fall das sprichwörtliche Gegenteil von nett? Warum ist es gefährlich, wenn z.B. Frauen als besonders empathisch oder People of Colour als besonders athletisch dargestellt werden? Die offenkundige Wertschätzung von stereotypisch positiven Merkmalen festigt bestehende diskriminierende Strukturen, indem sie Menschen in eine (häufig status-niedrige) Nische steckt, und sie damit von anderen Bereichen und der gesamt-gesellschaftlichen Teilhabe ausschließt.
Warum sehen wir Menschen nicht einfach als Menschen, sondern als Gruppenmitglieder?
Unsere menschliche Wahrnehmung ist stark auf Kategorisierung ausgelegt. Kategorien dienen im Alltag dazu, Entscheidungen zu erleichtern und zu beschleunigen. „Ist X ein Säbelzahntiger? Dann muss ich fliehen.“ Wir teilen auch andere Menschen anhand unterschiedlicher Merkmale in soziale Kategorien ein und nehmen sie als Gruppe wahr.
Jetzt verfügen Menschen aber über jede Menge Merkmale, anhand derer man sie zu Gruppen kategorisieren könnte. Ob man sie nun aber anhand von Gender, Hautfarbe, körperlicher Merkmale, kulturellem Hintergrund, Bildungsabschluss oder Vorliebe für Farben beim Mensch-Ärgere-Dich-nicht kategorisiert, hängt laut der Selbstkategorisierungstheorie (Turner et al., 1987) von der Verfügbarkeit und der Passung in der Situation ab. Die Verfügbarkeit liegt bei der wahrnehmenden Person selbst: basierend auf der eigenen Geschichte sind wir mehr oder weniger bereit, die Welt aufgrund bestimmter Merkmale in Kategorien einzuteilen. Wenn jemand z.B. eine Gender-Brille trägt, nimmt er leichter Gender-Kategorien wahr. Die Passung des Merkmals in der Situation wird durch zwei Dinge bestimmt: Zum einen dadurch, inwiefern sich die Menschen, die man als eine Kategorie wahrnehmen könnte, untereinander ähnlicher verhalten als diejenigen, die man in die andere Kategorie steckt (das sog. Meta-Kontrast-Prinzip). Wenn z.B. alle Frauen Röcke tragen, die Männer kurze Hosen, dann lädt die Kleidungssituation dazu ein, diese Menschen anhand von Gender zu kategorisieren. Zum anderen hängt die Passung von Normen, Stereotypen und Erwartungen ab: wenn sich z.B. alle Frauen emotional verhalten und alle Männer kompetitiv, dann entspricht das dem Geschlechterstereotyp in der westlichen Welt und es ist wahrscheinlich, dass wir eine bestimmte Ansammlung von Menschen als zwei Gruppen (Männer und Frauen) wahrnehmen. In anderen Situationen, und andere Wahrnehmende, könnten die gleichen Menschen anhand vollkommen anderer Merkmale in Gruppen kategorisieren.
Wenn wir einmal eine soziale Kategorie im Kopf haben, dann teilen wir automatisch die Welt in „Wir“, die sogenannte Eigengruppe, und „Sie“, die sogenannte Fremdgruppe, ein. Die Sozialpsychologie hat über die letzten Jahrzehnte einschlägig gezeigt, dass die Eigengruppe emotional, in der Wahrnehmung und auch im Verhalten bevorzugt wird (Hewstone et al., 2002). Dazu braucht es nicht mal eine Geschichte zwischen den Gruppen: die reine Kategorisierung genügt schon dafür, dass man die eigene Gruppe bevorzugt behandelt (Tajfel & Turner, 1986). Gerade Minderheiten werden von der Mehrheit leicht als Sub-gruppe wahrgenommen, die nicht zur „eigentlichen“ Gruppe gehören, sondern als „exotisch“, „anders“ und als „Sonderfall“ empfunden werden, und für die deshalb andere Regeln gelten (Araeen, 2000; Richards & Hewstone, 2001). Wenn im Kopf erstmal Eigen- und Fremdgruppen kategorisiert sind, dann nimmt man die Gruppenmitglieder als homogener wahr, als sie wirklich sind (Judd & Park, 1988), und es entstehen leicht Stereotype: Eigenschaften, gute wie schlechte, die allen Menschen aus der Gruppe zugeschrieben werden.
Positive Stereotype
Nun gibt es aber ein gesellschaftliches und politisches Bewusstsein dafür, dass es nicht korrekt ist, Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, die z.B. auf körperlichen Eigenschaften basiert, ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder ihrer Religion abzuwerten. Vermutlich hat aber das sozio-politische Klima, das den Gebrauch negativer Stereotype nicht akzeptiert, stattdessen zur Verstärkung positiver Stereotype geführt (Bergsieker et al., 2012; Czopp, Kay, & Cherian, 2015; Madon et al., 2001). Alternativ zu negativen Stereotypisierung wird dabei ein einseitiger und übertrieben starker Fokus auf positive Stereotype bei Gruppen, die ansonsten negativ stereotypisiert werden, gelegt. Positive Stereotype sind subjektiv positive Überzeugungen über Mitglieder bestimmter Gruppen, die direkt oder indirekt aufgrund der sozialen Kategorie mit bereichs-spezifischen Vorteilen oder besonderer Überlegenheit konnotiert sind (Czopp et al., 2015). Es werden also statt der Dimensionen, auf denen die Gruppen laut bestimmter Stereotype schlechter abschneiden, alternative Dimensionen betont, in denen die Gruppe als besonders positiv gesehen wird.
Benevolente Diskriminierung
Ein zweites Phänomen, das gerade aus der Motivation, vorurteilsfrei zu handeln geboren wird, ist die benevolente Diskriminierung (Fehr & Sassenberg, 2009). Statt einer hostilen Diskriminierung, also der feindseligen schlechteren Behandlung von Menschen bestimmter sozialer Kategorien, versteht man unter benevolenter Diskriminierung positive Verhaltensweisen, die auf negativen Stereotypen beruhen. Benevolent diskriminierendes Verhalten zielt darauf ab, z.B. durch Hilfe angenommene Defizite bei stereotypisierten Gruppen zu kompensieren (Fehr & Sassenberg, 2009). Dazu gehört es, wenn z.B. mit Menschen, die wie „Ausländer aussehen“, betont langsam und einfach gesprochen wird, wenn Frauen eine technische Funktionsweise besonders simpel erklärt wird oder wenn Vätern ungefragt Tipps zur Kindererziehung gegeben werden. Dem Verhalten liegt jeweils ein negatives Stereotyp zugrunde („Ausländer sprechen schlecht Deutsch“, „Frauen verstehen nichts von Technik“ und „Männer können nicht mit Kindern umgehen“). Breitere Definitionen verstehen unter benevolenter Diskriminierung eine Haltung, die bestimmte Gruppen als „Andere“ konstruieren und denen Verhalten entgegengebracht wird, das (1) positiv ist, (2) das die etablierte soziale Hierarchie verstärkt und (3) in dem die Anpassung an das System erwartet wird (Romani, et al., 2019). In dieser Definition wird nicht unbedingt Hilfe angeboten, um eine angeblich fehlende Kompetenz auszugleichen – denn möglicherweise ist der Ausgleich in der Wahrnehmung der Agierenden gar nicht möglich - sondern die betroffenen Gruppen werden anhand von positiven Stereotypen in eine Beziehung gedrängt, in der Macht- und Hierarchie ungleich verteilt sind, diese Ungleichverteilung aber akzeptiert und als gegeben vorausgesetzt wird. Beispiele für diese Form sind: „Dann laden wir die Afrikaner beim Stadtfest zum Trommeln ein!“, „Die Italiener können ja Pizza machen!“ oder „Eines der hübschen Mädchen kann ja dem Sieger den Blumenstrauß überreichen!“. Ein klassischer Fall der benevolenten Diskriminierung ist der benevolente Sexismus. Beim benevolenten Sexismus werden Frauen und Männer als zwei Gruppen mit komplementären Eigenschaften dargestellt. Frauen werden Attribute wie Wärme, Hingebungsfreude und Empathie zugeschrieben, sie werden aber auch gleichzeitig als schutzbedürftig, fragil, inkompetent oder den Männern unterlegen dargestellt (Glick & Fiske, 1996). Ähnlich definiert der Begriff benevolenter Rassismus eine Sichtweise, in der z.B. Menschen mit Migrationshintergrund als exotische und verletzliche (also hilfsbedürftige) „Andere“ verstanden werden, die sich in die bestehende Weltordnung einzuordnen haben, in der die benevolenten Wohltäter:innen überlegen bleiben (Araeen, 2000).
Negative Konsequenzen von positiver Stereotypisierung und benevolenter Diskriminierung
„Das ist doch nur nett gemeint!“ ist die häufigste Reaktion, wenn benevolente Stereotype und Diskriminierung thematisiert werden. Benevolente Stereotype und Formen von Diskriminierung, die eine positive Darstellung der Gruppe oder positives Verhalten (z.B. Hilfe, Anerkennung, Protektion) darstellen, haben dennoch negative Konsequenzen für die stereotypisierten Personen. Diese entstehen durch die Kategorisierung an sich, den Leistungsdruck, der durch die positiven Stereotype aufgebaut wird, und durch die Zuweisung der stereotypisierten Gruppe zu bestimmten Kompetenzbereichen.
Erstens hinterlässt die Erfahrung, positiv stereotypisiert zu werden negative Gefühle und das Gefühl der De-personalisierung, dass man auf seine Gruppenmitgliedschaft reduziert wird (z.B. Siy & Cheryan, 2013, Sue et al., 2007). Es ist nicht immer im Sinne einer Person, in eine bestimmte soziale Kategorie gesteckt zu werden. Wenn Menschen von Anderen als Vertreter:in einer bestimmten Gruppe gesehen werden, in dem Augenblick aber mit der Kategorisierung nicht einverstanden sind, dann wird das als Bedrohung durch Kategorisierung (Barreto & Ellemers, 2003) bezeichnet. In die falsche Schublade gesteckt zu werden ist von daher bedrohlich, als dass man in der Rolle, in der man gesehen werden möchte (z.B. als Vertretung eines bestimmten Berufs) nicht ernst genommen wird, sondern stereotypisiert als Vertretung einer anderen Rolle (z.B. der Quoten-Frau). Dieser fehlende Respekt der eigenen Selbst-Kategorisierung gegenüber führt zu negativen Gefühlen und schlechterem Wohlbefinden (Barreto & Ellemers, 2003; Branscombe et al., 1999; de Vreeze & Matschke, 2019).
Zweitens erhöhen positive Stereotype den Leistungsdruck. Während positive Stereotype in dem stereotypisierten Bereich durchaus die Leistung und das Wohlbefinden der Gruppenmitglieder steigern kann, kann der Druck, den positive Stereotype auf die stereotypisierten Menschen ausübt, gerade diese Leistungen im stereotypisierten Bereich unterminieren (z.B. Cheryan & Bodenhausen, 2000; Dardenne et al., 2007). Wenn die erwartete Kompetenz nicht erreicht wird, werden stereotypisierte Gruppenmitglieder außerdem stärker negativ bewertet als nicht- stereotypisierte Menschen (z.B. Biernat et al., 2012; Glick et al., 1997; Rudman, 1998).
Gesellschaftlich gesehen liegt die größte Gefahr von benevolenter Stereotypisierung und Diskriminierung aber darin, dass sie den betroffenen Gruppen bestimmte Nischen zuweisen. Positive Stereotype implizieren zwar positive Leistungen in einem bestimmten Bereich, suggerieren aber auch, dass die stereotypisierten Menschen nicht in andere Leistungsbereiche passen. Auch benevolente Diskriminierung legitimiert die Ungleichheiten in der Gesellschaft, indem jeder Gruppe seine Zuständigkeit zugesprochen wird (Glick et al., 1997). Wenn man stigmatisierten Gruppen bestimmte Bereiche zuordnet, in denen sie „gut sein dürfen“, dann gilt es in Folge als überraschend, bemerkenswert oder unangebracht, wenn Menschen aus diesen Gruppen auch in andere Kompetenzbereiche vordringen. Man steckt Menschen aus stigmatisierten Gruppen also in Nischen und suggeriert ihnen, dass sie es dort – und nur dort – zu Leistung bringen dürfen.
Strukturelle Diskriminierung und gesellschaftliche Barrieren werden bei der rein positiven Darstellungen der stereotypisierten Personen nicht thematisiert, denn in den Leistungsbereichen, die laut Stereotyp den Gruppen zugeschrieben werden, bestehen ja meistens weniger Barrieren. Bestehende Barrieren beim Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe in allen anderen Lebensbereichen werden durch diese Ausblendung also nicht aus dem Weg geräumt, sondern noch zementiert, indem das Gefühl verstärkt wird, die stigmatisierte Gruppe gehöre nur in bestimmte, aber nicht in alle Bereiche. Romantisierte Darstellungen von positiv stereotypisierten Personen verschleiern die Barrieren. Wenn z.B. die angeblich besonderen Fähigkeiten der stereotypisierte Personen kurzzeitig in einer bestimmten Situation (z.B. im Krimi beim Finden des Täters oder der Täterin) relevant werden, so dass die stereotypisierte Person wie eine Lichtgestalt einmal in den Vordergrund treten darf, danach die Person aber wieder in ihrer Nische verschwindet, dann suggeriert die Darstellung eine Teilhabe, die nicht real besteht. Gerne werden diskriminierte Gruppen auch romantisiert, indem einzelne Menschen dafür gefeiert werden, dass sie sich durch besondere Leistungen, durch eine individuelle Kompensation ihrer vermeintlichen „Schwäche“, oder durch eine überragende Fähigkeit auf anderen Dimensionen (z.B. Musik, Sport, Kunst) das Recht erkämpft haben, eine status-hohe Teilhabe in der bestehenden Hierarchie zu erreichen. Solche Darstellungen transportieren aber die Botschaft: Normal zu sein reicht nicht für eine Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen für Mitglieder dieser Gruppe.
Wechselseitige Überlegenheit mit Schräglage: Wenn „die Anderen“ auf status-niedrigen Dimensionen hervorgehoben werden
Theoretisch ist die Strategie, eine stigmatisierte Gruppe als besonders positiv auf einer bestimmten Dimension darzustellen, ein Versuch, eine wechselseitige Überlegenheit zwischen Gruppen herzustellen. Tatsächlich ist die wechselseitige Überlegenheit in der Sozialpsychologie ein Ansatz, die negative Sicht zwischen Eigen- und Fremdgruppe zu reduzieren und ein friedlicheres Zusammenleben zu fördern (Brown & Hewstone, 2005; Hewstone & Brown, 1986). Die Idee dabei ist, dass Menschen aus unterschiedlichen Gruppen gegenseitig anerkennen, dass sich die Gruppen in unterschiedlichen Bereichen wechselseitig überlegen sind. So kann eine Gruppe z.B. bei der Entwicklung, eine andere Gruppe besser bei der Umsetzung einer Lösung sein – und nur gemeinsam kann die Aufgabe gelöst werden. Wichtig ist dabei, dass (1) ein gemeinsames Ziel besteht und (2) dass die Dimensionen, auf denen die wechselseitige Überlegenheit besteht, jeweils relevant sind, um das gemeinsames Ziel zu erreichen. Genau das ist häufig beim Fokus auf positive Stereotype bei der Darstellung stigmatisierter Gruppen aber nicht der Fall. Die Dimensionen, auf denen stigmatisierte Minderheiten positiv bewertet werden, sind meistens „nice to have“, aber eben selten konnotiert mit Status, Macht oder einer gesellschaftlichen Wertschätzung. Würden Sie jemanden als Führungskraft einstellen, weil die Person empathisch ist, gut trommeln kann oder lecker kocht? Vermutlich nicht.
Tatsächlich zeigt die Forschung, dass die positiven Stereotype, die status-niedrigen Gruppen zugeschrieben werden, vorrangig auf status-irrelevanten oder status-niedrigen Dimensionen angesiedelt werden: Häufig werden z.B. Frauen in traditionellen Rollen, Ältere, Menschen mit Dialekten und People of Colour als warmherzig, aber wenig kompetent beschrieben (Cuddy et al., 2008). Kompetenz ist aber die Dimension, die an Status und an die Verteilungsmacht über Ressourcen geknüpft ist. Cuddy und Kolleg:innen argumentieren, dass die Zuschreibung von Wärme an status-niedrige Gruppen ein Weg ist, um soziale Hierarchien beizubehalten: Gruppen, die als warmherzig stereotypisiert werden, konkurrieren nicht auf der Kompetenz-Dimension und sind daher für die status-hohe Gruppe nicht bedrohlich. Da die Wahrnehmung von Wärme und Kompetenz meistens negativ miteinander zusammenhängt (Czopp et al., 2015), reicht bereits die Erwähnung der Warmherzigkeit bei einer stereotypisierten Gruppe, um zu suggerieren, dass sie nicht besonders kompetent ist. Positive Stereotype stellen somit ein sozial akzeptiertes Mittel dar, um benachteiligten Gruppen Eigenschaften zuzuschreiben, die status-niedrig sind (Cuddy et al., 2008; Czopp et al., 2015), ihnen status-niedrige Nischen zuzuweisen und damit einen echten, freien und gleichberechtigten Zugang zu allen Bereichen der Gesellschaft zu erschweren.
Wer aber bestimmt, welche Dimensionen gesellschaftlich zu Status führen? Laut dem Eigengruppenprojektionsmodell (Wenzel et al., 2008) projizieren wir gerade die Eigenschaften, die die Eigengruppe (im Vergleich zur Fremdgruppe) auszeichnen, auf übergeordnete Kategorien wie „Menschen“, oder „Deutsche“. Als Konsequenz denken bestimmte Gruppen, ihre besonderen Eigenschaften entsprächen der Norm und sind somit „normal“, während die anderen Gruppen weniger normal sind – und das Risiko der Abwertung der Fremdgruppe steigt. Bei Minderheiten liegt bereits in der Anzahl der Menschen die Ungleichheit darin, dass sie weniger ihre Wahrnehmung wichtiger Attribute auf die übergeordnete Gruppe übertragen können als die Mehrheit. Mehrheiten verfestigen durch die Projektion der eigenen Gruppeneigenschaften also bestehende Ungleichheiten im Machtverhältnis, indem sie mit der höheren Bewertung ihrer eigenen Gruppen-Eigenschaften bestehende Strukturen legitimieren.
Benevolente Stereotypisierung und Diskriminierung verfestigen Hierarchien
Formen der benevolenten Stereotypisierung und Diskriminierung sind sehr viel schwerer zu erkennen als hostile Formen der Diskriminierung, weil sie durch gute Vorsätze motiviert sind und vordergründig positives Verhalten darstellen (Fehr & Sassenberg, 2009; Romani et al., 2018). Benevolenten sowie hostilen Formen der Diskriminierung entgegenzutreten hat seine Kosten: So werden z.B. Frauen, die benevolenten Sexismus zurückweisen, zwar als kompetent, aber kalt wahrgenommen (Becker et al., 2011). Die Wahrnehmung derer, die benevolenter und hostiler Diskriminierung entgegentreten, unterscheidet sich zwar nicht voneinander (Schiralli & Chasteen, 2023), aber die Zurückweisung positiver Stereotype führt zu einer negativeren Wahrnehmung der Person, die sich gegen die Stereotypisierung wehrt, und zu einer stärkeren Bezeichnung als „Motzer:in“, als wenn man negative Stereotype zurückweist (Alt et al., 2019).
Die eigentliche Gefahr benevolenter Diskriminierung liegt aber darin, dass sie das Stereotyp noch verfestigen und kollektiven Widerstand unterminiert. Statt Wut und Entrüstung auszulösen, führt benevolente Diskriminierung zu stärkeren Selbstzweifeln und zu Ablenkung im nicht-stereotypen Leistungsbereich. Benevolent diskriminierte Menschen zeigen tatsächlich Leistungseinbußen, die sie nicht zeigen würden, wenn keine Diskriminierung vorliegen würde (Dardenne et al., 2007; Vescio et al., 2005). Oft passiert es auch, dass Menschen sich stärker stereotyp-konform verhalten, wenn das positive Stereotyp in der Luft liegt, als wenn das nicht der Fall ist (Barreto et al., 2010). Benevolente Strereotype und Diskriminierung tragen also dazu bei, dass sich das Stereotyp bestätigt und reproduziert. Nicht zuletzt hat die Forschung gezeigt, dass die ambivalenten Gefühle, die durch benevolente Diskriminierung ausgelöst werden, die stereotypisierte Gruppe in ihrer Widerstandskraft schwächt: Im Gegensatz zu hostilen Formen der Diskriminierung unterminiert benevolente Diskriminierung den kollektiven Widerstand gegen Diskriminierung und verhindert damit den sozialen Wandel (Becker & Wright, 2011).
Freie Teilhabe als Recht aller Menschen betrachten
Wer gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen fördern möchte, muss stigmatisierte Menschen aus ihren Nischen – auch aus den positiven Nischen - holen und echte Teilhabe auf allen Dimensionen ermöglichen. Strukturelle Barrieren sollten nicht verschwiegen, sondern thematisiert werden. Dazu müssen bestehende Bewertungssysteme, welche Dimensionen zu Macht und Status führen, auch in Frage gestellt werden: nicht nur nach den Kriterien der hierarchie-hohen Gruppe, sondern unter Beteiligung aller Menschen. Die Beteiligung in allen gesellschaftlichen Bereichen sollte nicht als Zuwendung, Güte oder Gnade der machthabenden Gruppe verstanden werden, für die von den Empfangenden Dankbarkeit erwartet wird, sondern als das legitime Recht aller Menschen.
References:
Alt, N. P., Chaney, K. E., & Shih, M. J. (2019). “But that was meant to be a compliment!”: Evaluative costs of confronting positive racial stereotypes. Group Processes & Intergroup Relations, 22(5), 655–672. https://doi.org/10.1177/1368430218756493
Araeen R. (2000). The art of benevolent racism, Third Text 14(51), 57-64. https://doi.org/10.1080/09528820008576853
Barreto, M., & Ellemers, N. (2003). The effects of being categorised: The interplay between internal and external social identities. European Review of Social Psychology, 14(1), 139–170. https://doi.org/10.1080/10463280340000045
Barreto, M., Ellemers, N., Piebinga, L., & Moya, M. (2010). How nice of us and how dumb of me: The effect of exposure to benevolent sexism on women’s task and relational self-descriptions. Sex Roles, 62, 532–544.
Becker, J. C., & Swim, J. K. (2012). Reducing endorsement of benevolent and modern sexist beliefs. Social Psychology, 43(3), 127–137. https://doi.org/10.1027/1864-9335/a000091
Becker, J. C., & Wright, S. C. (2011). Yet another dark side of chivalry: Benevolent sexism undermines and hostile sexism motivates collective action for social change. Journal of Personality and Social Psychology, 101(1), 62–77. https://doi.org/10.1037/a0022615
Bergsieker, H. B., Leslie, L. M., Constantine, V. S., & Fiske, S. T. (2012). Stereotyping by omission: Eliminate the negative, accentuate the positive. Journal of Personality and Social Psychology, 102(6), 1214–1238. https://doi.org/10.1037/a0027717
Biernat, M., Tocci, M. J., & Williams, J. C. (2012). The language of performance evaluations: gender-based shifts in content and consistency of judgment. Social Psychological and Personality Science, 3(2), 186–192. https://doi.org/10.1177/1948550611415693
Branscombe, N. R., Ellemers, N., Spears, R., & Doosje, B. (1999). The context and content of social identity threat. Social identity: Context, commitment, content, 35-58.
Brown, R., & Hewstone, M. (2005). An integrative theory of intergroup contact. In M. P. Zanna (Hrsg.), Advances in experimental social psychology (Bd. 37, S. 255–343). Elsevier Academic Press. https://doi.org/10.1016/S0065-2601(05)37005-5
Cheryan, S., & Bodenhausen, G. V. (2000). When positive stereotypes threaten intellectual performance: The psychological hazards of “model minority” status. Psychological Science, 11(5), 399–402. https://doi.org/10.1111/1467-9280.00277
Czopp, A. M., Kay, A. C., & Cheryan, S. (2015). Positive stereotypes are pervasive and powerful. Perspectives on Psychological Science, 10(4), 451-463.
Cuddy, A. J. C., Fiske, S. T., & Glick, P. (2008). Warmth and competence as universal dimensions of social perception: The stereotype content model and the BIAS map. In M. P. Zanna (Hrsg.), Advances in Experimental Social Psychology (Bd. 40, S. 61–149). Academic Press. https://doi.org/10.1016/S0065-2601(07)00002-0
Dardenne, B., Dumont, M., & Bollier, T. (2007). Insidious dangers of benevolent sexism: Consequences for women’s performance. Journal of Personality and Social Psychology, 93(5), 764–779. https://doi.org/10.1037/0022-3514.93.5.764
de Vreeze, J., & Matschke, C. (2019). Don’t put me in this group: Assignment to non-preferred groups increases disidentification and a preference for negative ingroup information. Social Psychology, 50(2), 80-93. https://dx.doi.org/10.1027/1864-9335/a000363
Fehr, J., & Sassenberg, K. (2009). Intended and unintended consequences of internal motivation to behave nonprejudiced: The case of benevolent discrimination. European Journal of Social Psychology, 39(6), 1093-1108.
Glick, P., Diebold, J., Bailey-Werner, B., & Zhu, L. (1997). The Two Faces of Adam: Ambivalent Sexism and Polarized Attitudes Toward Women. Personality and Social Psychology Bulletin, 23(12), 1323–1334. https://doi.org/10.1177/01461672972312009
Glick, P., & Fiske, S. T. (1996). The Ambivalent Sexism Inventory: Differentiating hostile and benevolent sexism. Journal of Personality and Social Psychology, 70, 491–512.
Hewstone, M., & Brown, R. (1986). Contact is not enough: An intergroup perspective on the „contact hypothesis.“ In M. Hewstone & R. Brown (Hrsg.), Contact and conflict in intergroup encounters (S. 1–44). Basil Blackwell.
Hewstone, M., Rubin, M., & Willis, H. (2002). Intergroup bias. Annual review of psychology, 53(1), 575-604. https://doi.org/10.1146/annurev.psych.53.100901.135109
Judd, C. M., & Park, B. (1988). Out-group homogeneity: Judgments of variability at the individual and group levels. Journal of Personality and Social Psychology, 54(5), 778–788. https://doi.org/10.1037/0022-3514.54.5.778
Madon, S., Guyll, M., Aboufadel, K., Montiel, E., Smith, A., Palumbo, P., & Jussim, L. (2001). Ethnic and national stereotypes: The princeton trilogy revisited and revised. Personality and Social Psychology Bulletin, 27(8), 996–1010. https://doi.org/10.1177/0146167201278007
Richards, Z., & Hewstone, M. (2001). Subtyping and subgrouping: Processes for the prevention and promotion of stereotype change. Personality and Social Psychology Review, 5(1), 52–73. https://doi.org/10.1207/S15327957PSPR0501_4
Romani, L., Holck, L., & Risberg, A. (2019). Benevolent discrimination: Explaining how human resources professionals can be blind to the harm of diversity initiatives. Organization, 26(3), 371-390.
Rudman, L. A. (1998). Self-promotion as a risk factor for women: The costs and benefits of counterstereotypical impression management. Journal of Personality and Social Psychology, 74(3), 629–645. https://doi.org/10.1037/0022-3514.74.3.629
Schiralli, J. E., & Chasteen, A. L. (2023). Perceptions of women who confront hostile and benevolent sexism. The Journal of Social Psychology, 1–17. https://doi.org/10.1080/00224545.2023.2173554
Siy, J. O., & Cheryan, S. (2013). When compliments fail to flatter: American individualism and responses to positive stereotypes. Journal of Personality and Social Psychology, 104(1), 87–102. https://doi.org/10.1037/a0030183
Sue, D. W., Capodilupo, C. M., Torino, G. C., Bucceri, J. M., Holder, A., Nadal, K. L., & Esquilin, M. (2007). Racial microaggressions in everyday life: Implications for clinical practice. American Psychologist, 62, 271–286.
Tajfel, H., & Turner, J. C. (1986). The social identity theory of intergroup behaviour. In S. Worchel & W. G. Austin (Hrsg.), Psychology of Intergroup Relations (S. 7–24). Nelson-Hall.
Turner, J. C., Hogg, M. A., Oakes, P. J., Reicher, S. D., & Wetherell, M. S. (1987). Rediscovering the social group: A self-categorization theory. Basil Blackwell.
Vescio, T. K., Gervais, S. J., Snyder, M., & Hoover, A. (2005). Power and the creation of patronizing environments: the stereotype-based behaviors of the powerful and their effects on female performance in masculine domains. Journal of personality and social psychology, 88(4), 658.
Wenzel, M., Mummendey, A., & Waldzus, S. (2008). Superordinate identities and intergroup conflict: The ingroup projection model. European Review of Social Psychology, 18(1), 331–372. https://doi.org/10.1080/10463280701728302