Schurken

In den meisten Geschichten treten blinde Menschen für Recht und Gerechtigkeit ein, müssen sich vielleicht gegen kriminelle Machenschaften oder auch nur böse Vorurteile wehren.  
Manchmal sind sie sogar unempfänglich für Vorurteile. (vgl. „Weltsicht der Blinden") Sie sind „die Guten“.

Es gibt aber auch Geschichten, in denen blinde Menschen psychische Probleme haben, unsympathisch, manipulativ, aggressiv oder gar kriminell sind. Kurz: Sie sind keine Sympathieträger.

Unsympatische blinde Menschen tauchen in fast allen Geschichten auf, in denen es mehrere blinde oder sehbehinderte Menschen gibt. In einem Fall verhält sich eine ganze Gruppe blinder Menschen merkwürdig und sadistisch. (Guibert, Hervé: Blinde, 1986)

Aber meist sind nur einzelne Mitglieder einer blinden Gesellschaft unsympathisch, in der Regel wird gerade in Geschichten mit mehreren blinden Protagonisten deutlich, das es keinen einheitlichen „Blindencharakter" gibt.

Diese Sichtweise taucht gelegentlich auch in Geschichten auf, in denen ein launischer und aggressiver Mensch späterblindet ist und betont wird, dass dieser Mensch schon immer schwierig war und es durch die Erblindung nicht besser wurde.

Aber nicht alle Autoren und Autorinnen teilen diese Ansicht. So kann z. B. ein sehbehinderter Familientyrann nach seiner vollständigen Erblindung geläutert werden. Das ändert sein Verhältnis zu seinen Angehörigen und er sagt:

„Ich könnte paradox sagen: Blindheit hat mir die Augen geöffnet.“ (Vogel, Traugott: Der blinde Seher, 1930, S. 378)

Aber auch eine ganz andere Sichtweise gibt es: Dass der schwierige Charakter die Folge der Blindheit ist, weil der Mensch seine Blindheit nicht akzeptieren kann. Dann ist es meist eine vorübergehende Phase, die sich nach kurzer Zeit auflöst. (vgl. Erblindung) Diese Geschichten werden in diesem Kapitel nicht berücksichtigt. Die Verbitterung und das damit verbundene aggressive Verhalten kann sich aber auch verfestigen. Von der Umwelt wird ein Zusammenhang zwischen der Unzufriedenheit mit der Blindheit und dem anstrengenden Verhalten selbstverständlich angenommen. (Fallada, Hans: der ungeliebte Mann, 1980)

Sehr deutlich drückt sich eine junge, neuerblindete Frau aus, die ihre Arbeitgeber bestiehlt und die sich dabei im Recht fühlt. Ihr Freund kritisiert sie dafür.

Cam: „Glaubst du, nur weil du blind bist, wirst du damit durchkommen?“
Sophie: „Ja, genau das glaube ich. Wenn du nur wüsstest, wie die Leute mich behandeln.“ (See for mee, Kanada, 2022, ca. Minute 16:30)

In einer anderen Geschichte hadert die blinde Person mit den Menschen, die sie für ihre Blindheit verantwortlich macht und lässt ihre Unzufriedenheit an anderen, schwächeren Mitmenschen aus. (Zuckmayer, Carl: Der Rattenfänger, 1987)

Eine Sehbehinderung kann aber auch ausgenutzt werden, um auf Kosten anderer eine Sonderrolle zu beanspruchen. So beschreibt eine Autorin in einem autobiografischen Jugendroman, wie ihre sehbehinderte Schwester es immer wieder schaffte, bevorzugt zu werden. (Kantstein, Ingeburg: Barfuß übers Stoppelfeld, 1985))

Vereinzelt bleibt es nicht nur bei einem schwierigen Charakter, in wenigen Geschichte werden die blinden Menschen auch kriminell. In einer Ausnahmesituation kann es geschehen, dass die blinde Person spontan die Seiten wechselt und sich an einem Verbrechen bereichert. (Großstadtrevier: Die blinde Zeugin, 2019)

Blinde Personen können aber auch feindlichen Geheimdiensten oder Verbrecherorganisationen angehören.

Es gibt auch blinde Protagonisten und Protagonistinnen, die einen Mord planen oder ausführen bzw. als Komplizin unterstützen. Zweimal regt sich ihr Gewissen und sie lassen sich davon abbringen und in zwei Geschichten können sie ihren Plan erst nach der Heilung durchführen.

Eine große Ausnahme bildet die Geschichte, in der sich eine Berufskillerin selbst blendet, weil sie glaubt, dann noch besser in ihrem Beruf zu sein. (Angel - Jäger der Finsternis, USA 2000)

Die Motive sind in der Regel Rache, z. B. weil die blinde Person belästigt oder vergewaltigt oder weil ein geliebter Mensch umgebracht wurde. Zweimal gilt der Mordanschlag der Person, die die Erblindung verursacht hat.
Einmal gibt es ein religiöses Motiv. (Eco, Umberto: Der Name der Rose, 1986)

Daneben gibt es noch Filme, in denen blinde Personen das „Gute" wollen und dabei über Leichen gehen. (Ichi, die blinde Schwertkämpferin, Japan 2008 und Blinde Wut, USA 1989)

 

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